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Welcher der beiden DNA-Stränge geschädigt ist, beeinflusst das Mutationsprofil der Zelle

Detaillierte Analyse der Asymmetrie der DNA-Doppelstränge

Nr. 34c | 13.06.2024 | von Koh

Krebsgenome sind das Ergebnis vielfältiger Mutationsprozesse, die sich oft über Jahrzehnte angesammelt haben. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie von den Universitäten Cambridge und Edinburgh haben die molekulare Evolution von Tumoren nach der Einwirkung erbgutschädigender Chemikalien analysiert. DNA-Schäden, die über mehrere Zellgenerationen hinweg unrepariert überdauern, führen zu Sequenzvariationen am Ort des Schadens, deren Quantifizierung Einblicke in die Kinetik und Mechanismen der DNA-Reparatur gewährt. Das ermöglichte den Forschenden, den Beitrag der auslösenden Schädigung von dem der nachfolgenden Reparatur bei der Gestaltung der Mutationsmuster zu unterscheiden. Diese Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

© Adobe Stock

Nach einer Schädigung der DNA, beispielsweise durch Chemikalien, werden der geschädigte und der unbeschädigte DNA-Strang bei der Zellteilung voneinander getrennt. Häufig reparieren die Zellen die DNA-Schäden nicht sofort, die Defekte bleiben über mehrere Runden der Zellteilung bestehen. Die geschädigte DNA kann bei der Zellteilung durch spezialisierte Enzyme, sogenannte Transläsions-Polymerasen, kopiert werden. Doch diese Enzyme bauen DNA-Bausteine (Nukleotide) nach dem Zufallsprinzip ein oder überspringen einfach das geschädigte Nukleotid. Die resultierenden Tochterzellen entwickeln dadurch unterschiedliche Mutationsprofile. Forscher sprechen von „Schadens-Segregation". So entstehen in einer klonalen Zellpopulation wie einem Tumor komplexe Mutations-Muster. Dabei lässt sich nachvollziehen, welchen geschädigten DNA-Strang eine Krebszelle von ihren „Vorfahren" geerbt hat.

Forschende unter der Leitung von Duncan Odom, DKFZ, Sarah Aitken, Universität Cambridge und Martin Taylor, Universität Edinburgh, gingen der Frage nach, wie es zu dieser Asymmetrie der DNA-Schädigung und DNA-Reparatur kommt. Insbesondere wollten sie klären, ob es für die Mutationsrate eine Rolle spielt, welcher der beiden DNA-Stränge geschädigt wird. Denn trotz der Symmetrie beider Stränge der „DNA-Strickleiter" unterscheiden sich beide doch in mancherlei Hinsicht: Nur einer der Stränge wird in RNA übersetzt, beide Stränge werden vor der Zellteilung auf unterschiedliche Weise synthetisiert und sind unterschiedlich zugänglich für Reparaturenzyme.

Dazu untersuchte das Team an einem Mausmodell, wie Diethylnitrosamin Leberzellen schädigt und schließlich Leberkrebs verursacht. Die Substanz schädigt das Erbgut, indem sie sich chemisch mit einer Base verbindet. Experten bezeichnen solche stabilen Anheftungen als kleine „DNA-Addukte". Die Forschenden untersuchten für ihre aktuelle Studie 237 Tumoren von 98 Mäusen und analysierten über sieben Millionen Mutationen.

Entgegen der Erwartung fanden sie keine signifikanten Unterschiede in den Mutationsraten beider Stränge der DNA (Leit- und Folgestrang). Obwohl die beiden Stränge auf unterschiedliche Weise synthetisiert werden, sind in beiden Fällen offenbar dieselben Mechanismen zur Schadensumgehung aktiv.

Dies steht in starkem Gegensatz zur asymmetrischen Strangtoleranz der wesentlich raumgreifenderen, durch UV-Licht induzierten Addukte und gibt auch neue Hinweise darauf, wie Zellen mit DNA-Schäden umgehen, die durch Tabakrauch oder bestimmte Krebsmedikamente ausgelöst werden.

Die Anhäufung mehrerer unterschiedlicher Mutationen an der Stelle dauerhaft unreparierter DNA-Schäden ermöglicht es, die Effizienz von Reparaturprozessen zu quantifizieren – und zwar im gesamten Genom und mit einer Auflösung auf der Ebene einzelner Nukleotide.

Die Forschenden fanden heraus, dass die durch DNA-Schäden induzierten Mutationen weitgehend durch den Einfluss der DNA-Zugänglichkeit auf die Reparatureffizienz geprägt sind.

Schließlich zeigen sie spezifische genomische Bedingungen auf, die die krebsfördernde Mutagenese aktiv vorantreiben, indem sie die Zuverlässigkeit eines bestimmten Reparaturmechanismus, der „Nukleotid-Exzisionsreparatur", beeinträchtigen.

Duncan Odom, einer der drei Studienleiter, fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse geben Aufschluss darüber, wie Strang-asymmetrische Mechanismen der Entstehung, Toleranz und Reparatur von DNA-Schäden die Entwicklung des Krebsgenoms beeinflussen."

Craig J. Anderson, Lana Talmane, Juliet Luft, John Connelly, Michael D. Nicholson, Jan Verburg, Oriol Pich, Susann Campbell, Marco Giaisi, Pei-Chi-Wie, Vasavi Sundaram, Frances Connor, Paul A. Ginno, Takayo Sasaki, David M. Gilbert, Liver Cancer Evolution Consortium; Núria López-Bigas, Colin A. Semple, Duncan T. Odom, Sarah J. Aitken, Martin S. Taylor:
Strand resolved mutagenicity of DNA damage and repair.
Nature 2024, DOI: 10.1038/s41586-024-07490-1

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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