Klinische Kooperationseinheit Pädiatrische Leukämie
Prof. Dr. Andreas Kulozik
Bei der akuten lymphoblastischen (lymphatischen) Leukämie (ALL) handelt es sich um die häufigste maligne Erkrankung des Kindesalters. Während die meisten Leukämien bei Kindern und Jugendlichen von Vorläufer-B-Zellen abstammen, stellt die Vorläufer-T-Zellen-ALL eine besondere Herausforderung dar. Obwohl 80-90% der betroffenen Patienten mit modernen Behandlungsprotokollen von ihrer Primärerkrankung geheilt werden können, haben Patienten mit Rezidiven einer T-ALL eine besonders schlechte Prognose. Dies zeigt, dass die Biologie der T-ALL sich zum Zeitpunkt der Primärerkrankung und des Rezidivs fundamental unterscheidet. Mittels gezielter genetischer und genomischer Analysen haben wir in unseren früheren Arbeiten genetische Veränderungen identifiziert, die das Therapieansprechen und die Prognose stark beeinflussen (Breit et al. 2006, Kox et al. 2010, Bandapalli et al. 2014, Richter-Pechanska et al. 2017). Unsere aktuelle Forschung fokussiert sich auf genetische Hochrisikomarker, die Rezidive der T-ALL auszeichnen und die bereits in kleinen Subklonen zum Zeitpunkt der Primärerkrankung nachweisbar sein können und im Rezidiv selektioniert werden. Da Mutationen in epigenetischen Regulatorgenen bei der T-ALL häufig vorkommen, konzentrieren wir uns weiterhin auf epigenetische Unterschiede zwischen T-ALL-Zellen und normalen T-Zellvorläufern im Thymus. Diese Arbeiten haben gezeigt, dass die Zugänglichkeit des Chromatin bei den T-ALL-Zellen, einschließlich solcher mit reifem Immunphänotyp, den unreifsten Vorläuferzellen im Thymus ähnelt und dass sich überraschende Transkriptionsprofile in den epigenetisch definierten Subtypen der T-ALL-Zellen finden (Richter- Pechanska et al. 2018, Erarslan-Uysal et al. 2020).
Wir werden uns künftig auf die Frage konzentrieren, wie die Biologie von T-ALL-Rezidiven die ausgeprägte Therapie-Resistenz in dieser herausfordernden Phase der Evolution dieses Leukämietyps erklärt. Ein wichtiger Ausgangspunkt für unsere künftige Arbeit ist unsere frühere Beobachtung, dass Rezidive einer T-ALL sich biologisch durch ihre leukämische Ursprungszelle unterscheiden lassen. Während Typ I-Rezidive sich von dem am stärksten prävalenten Hauptklon der Primärleukämie ableiten, lassen sich Typ II-Rezidive auf eine frühe leukämische Ursprungszelle zurückführen, die bei der Initialerkrankung nur als kleiner Subklon vorliegt (Kunz et al. 2015). Unsere weiteren Arbeiten werden sich nun auf einen Vergleich dieser beiden Typen von T-ALL-Rezidiven im selben Patienten durch multi-omische longitudinale Analysen konzentrieren, um basierend auf den Ergebnissen unserer aktuellen genomischen und epigenomischen Befunde die funktionalen Mechanismen für die klinische Aggressivität der Rezidive differenziert in diesen beiden biologisch sehr unterschiedlichen Subtypen der Evolution der T-ALL von der Ersterkrankung zum Rezidiv zu identifizieren.