Abteilung Zelluläre Immunologie
Prof. Dr. Hans-Reimer Rodewald
Die Abteilung für Zelluläre Immunologie untersucht mit quantitativen Methoden die Entwicklung von immunologischen Zellen und Geweben sowie deren Funktionen.
Blut- und Immunzellen bildende Stammzellen. Bislang basierte die Untersuchung hämatopoetischer (Blut- und Immunzellen bildender) Stammzellen (HSC) hauptsächlich auf Transplantationen von Spenderstammzellen in konditionierte Empfängertiere. Wir haben neue Methoden entwickelt, um HSC unter physiologischen Bedingungen zu untersuchen (Busch et al. Nature 2015) und konnten zeigen, dass es fundamentale Unterschiede in der Blutbildung unter normalen homöostatischen Bedingungen, unter Stress, und nach Transplantation gibt. Um HSC unter normalen Bedingungen in deren natürlichem Umfeld untersuchen zu können, haben wir ein Mausmodell entwickelt, welches die induzierbare Markierung von HSC während unterschiedlicher Phasen der Embryonalentwicklung oder im Knochenmark der erwachsenen Maus ermöglicht. In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Thomas Höfer (Theoretische Systembiologie, DKFZ) konnten wir experimentell und durch mathematische Modellierung Einblicke in die zellulären und regulatorischen Veränderungen des hämatopoietischen Systems im gesunden oder erkrankten Organismus gewinnen.
Polylox Barcoding. Um die Beteiligung von HSC auf klonaler Ebene zu untersuchen, haben wir basierend auf einem künstlichen Cre-loxP DNA Rekombinationslokus (Polylox) ein neues, vielseitig einsetzbares experimentelles System zur Generierung zellulärer endogener Barcodes entwickelt. Rekombination des Polylox DNA Lokus in situ führt zur Entstehung mehrerer hunderttausend individueller Barcodes. Durch Kombination dieses Systems mit verschiedenen Fate Mapping Systemen konnten wir die Entwicklungswege aus HSC in vivo auf klonaler Ebene untersuchen. Zusammen mit dem Systembiologen Thomas Höfer haben wir herausgefunden, dass das adulte HSC-Kompartiment aus einem Mosaik embryonal gebildeter HSC-Klone von teilweise unerwarteter Größe besteht. Nach Barcode-Induktion sowohl in Embryonen als auch in adulten Mäusen zeigen unsere Barcode-Analysen eine deutliche Trennung gemeinsamer myeloider (Erythozyten und Granulozyten) und gemeinsamer lymphoider (T- und B-Lymphozyten) Entwicklungswege (Pei, Feyerabend et al. Nature 2017). Diese Beobachtungen unterstützen das klassische Modell eines Stammbaums der Blutbildung, welches jüngst in Zweifel gezogen wurde.
Gewebe-residente Makrophagen. HSC generieren praktisch alle hämatopoetischen Linien, aber Gewebemakrophagen sind eine bemerkenswerte Ausnahme. Durch Zelltransfer-Experimente von HSC in nicht bestrahlte Empfänger und durch Fate Mapping Experimente konnten wir zeigen, dass die Mehrheit vieler Gewebemakrophagen in der Leber, im Gehirn, in der Epidermis und in der Lunge aus Vorläuferzellen im Dottersack entstehen und später ihre jeweiligen Kompartimente weitgehend ohne Unterstützung durch HSC-abhängige Vorläuferzellen aufrechterhalten (Gomez Perdiguero, Klapproth et al. Nature 2015). Die Funktion dieser Zellen embryonalen Ursprungs im Vergleich zu den Makrophagen, die über Monozyten aus adulten HSC vor allem bei Gewebe-Entzündungen gebildet werden, ist zurzeit noch wenig verstanden.
Entstehung akuter lymphoblastischer Leukämie (T-ALL). Die Entwicklung und Reifung von T-Zellen findet im Thymus, einem primären immunologischen Organ, statt. Wir haben entdeckt, dass Thymozyten, die unnatürlich lange im Thymus verbleiben, zur Tumorentstehung neigen. Erstaunlicherweise geschieht dies mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn der Zustrom neuer T-Zell Vorläufer in den Thymus unterbrochen wird. Wir konnten zeigen, dass in Mäusen normalerweise der Umsatz der Zellen durch Kompetition zwischen neugebildeten „jungen“ Vorläufern aus dem Knochenmark und „alten“ Vorläufern, die schon länger im Thymus vorhanden sind, reguliert wird. Die Störung dieses natürlichen Wettbewerbs fördert die Entstehung einer Leukämie, welche hinsichtlich ihrer Pathologie, des Auftretens genetischer Läsionen und Tumor-assoziierter Transkripte, sowie aktivierender Mutationen im Notch-Signalweg der akuten lymphoblastischen Leukämie (T-ALL) beim Menschen sehr ähnlich ist (Martins et al. Nature 2014).
Mastzellen. Während Mastzellen für ihre Rolle bei der Entstehung von Allergien bekannt sind, ist ihre physiologische Funktion im gesunden Organismus eher rätselhaft. Mit Hilfe einer von uns generierten Mastzell-defizienten Mauslinie, die sonst ein normales Immunsystem hat, untersuchen wir diese Frage. Ergebnisse mit unserer spezifisch Mastzell-defizienten Maus zeigen, dass eine gründliche und umfassende Neubewertung verschiedener Mastzellfunktionen zwingend nötig ist (siehe z. B. Gutierrez et al. Cell Metab. 2015).
Zukünftige Projekte
Wir untersuchen die dynamischen Prozesse bei der Zelldifferenzierung aus Stamm- und Vorläuferzellen in Immunzellen unter normalen und pathologischen Bedingungen. Weiterhin arbeiten wir an der Erhaltung und Funktion von Gewebemakrophagen. Wir benutzen unser DNA barcoding System (Polylox), um verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Zelllinien und Klon-Grössen zu untersuchen. Ferner erforschen wir die zellulären Grundlagen der T-ALL Entstehung. Schließlich versuchen wir, physiologische Mastzellfunktionen zu finden.