Digitale Prävention, Diagnostik und Therapiesteuerung
- Krebsrisikofaktoren und Prävention
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Priv. Doz. Dr. Titus Brinker
Abteilungsleitung
Die Entwicklung von Software für eine verbesserte non-invasive Früherkennung, Diagnostik- und Therapiesteuerung für die Onkologie mittels künstlicher Intelligenz ist der Forschungsschwerpunkt unserer interdisziplinären Abteilung.
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Unsere Forschung
Ein 20-köpfiges Team aus den Bereichen Medizin, Molekularbiologie und Informatik/Data Science konzentriert sich auf die Identifikation relevanter Muster in Patientendaten sowie eine erhöhte Erklärbarkeit und Sicherheit von Entscheidungen der künstlichen Intelligenz. Wir sehen Softwaresysteme als Teil von klinischen Teams für eine effizientere Krankenversorgung und zugleich als Werkzeug für effektive Präventions- und Screening-Angebote. In diesen Bereichen gelangen uns in der Vergangenheit (seit 2020) vielbeachtete wissenschaftliche Erfolge; unsere mehr als 80 international begutachteten Forschungsarbeiten wurden über 5.000 mal zitiert und zahlreiche Projektergebnisse von internationalen Medien aufgegriffen. Mehr als eine Millionen Mal wurden Softwareprodukte oder Apps unserer Abteilung heruntergeladen.
Sieben kürzlich bewilligte Drittmittelanträge beinhalten das MiRisk-Projekt (1), welches eine kostenlose App zur individuellen Bestimmung und Minimierung des Brustkrebsrisikos entwickelt. Im Rahmen des BAP-1-Konsortiums (2) teilen und erweitern wir unser Fachwissen bei der Erstellung von Histologie-Pipelines zur Stratifizierung von Patienten für die Arzneimittelentwicklung. Die Hector-Förderung (3) ermöglicht es uns, Spatial Transcriptomics für Deep-Learning-basierte Heterogenitäts-Scores zu integrieren, um die Metastasierung von Melanomen vorherzusagen. Das sKIn-Projekt (4) unternimmt die verbleibenden technischen und formalen Schritte, um unsere erklärbare Hautkrebs-KI zusammen mit einem Unternehmen in Dermatoskope einzubauen und sie auf diese Weise fest in Hautkrebsscreenings zu integrieren. MELCAYA (5) identifiziert neue Risikofaktoren für Melanome bei CAYAs. Eine Deep-Learning-Strategie für Hochdurchsatz-Proteomik (6) ermöglicht eine höhere Auflösung von Blutproben zur frühzeitigen Erkennung von Krebs. Eine Zusammenarbeit mit der Industrie wird zu individuelleren Sonnenschutzempfehlungen auf der Grundlage von epigenetischen Tests führen, die über KI aus Smartphone-Fotos ausgelesen werden. Eine verbesserte digitale Analyse von Sarkomen (7), die Interaktion von Sprachmodellen und klinischer Versorgung, erklärbare KI-Algorithmen für die Krebsvorsorge und die Optimierung von Präventions-Apps stellen ebenfalls aktuelle Projekte der Abteilung dar.
Auf den nachfolgenden Seiten können Sie mehr über die Menschen in unserem Team, ihre Arbeitsschwerpunkte sowie die von unserer Abteilung derzeit bearbeiteten Projekte erfahren.
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Projekte
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Universitäre KI-Forschung zur Entwicklung einer Software als Medizinprodukt für die klinische Patientenversorgung am Beispiel eines Assistenzsystems für die Hautkrebsdiagnostik
Weltweit wurden im Jahr 2020 rund 325.000 Fälle des Melanoms diagnostiziert, ca. 60.000 Menschen sind letztlich daran gestorben. Während einige Melanome bereits im Frühstadium ein aggressives Verhalten zeigen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung mit zunehmender Tumordicke an. Folglich ist eine schnelle und präzise Identifizierung des Melanoms von immenser Bedeutung.
Die Frühdiagnose ist jedoch selbst für erfahrene DermatologInnen nicht einfach, da sich Melanome und atypische Nävi häufig morphologisch überschneiden. Die diagnostische Herausforderung, Melanome frühzeitig zu erkennen und dabei gleichzeitig die Überdiagnose (Falsch-Positiv-Rate) zu minimieren, erfordert daher die Entwicklung fortschrittlicher Diagnosesysteme. In diesem Kontext zeigten insbesondere sogenannte Deep Neural Networks bei der Klassifizierung verdächtiger dermatoskopischer Bildaufnahmen vergleichbare oder sogar bessere Ergebnisse als erfahrene DermatologInnen.
Was bislang jedoch fehlt, ist die Translation dieser vielversprechenden Forschungsergebnisse in die klinische Routine, um einen realen Nutzen für PatientInnen, ÄrztInnen und das Gesundheitssystem zu schaffen. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen des sKIn-Projekts modellhaft ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Assistenzsystem für die Melanomdiagnostik weiterentwickelt und unter Berücksichtigung der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) aus der universitären Forschung zur Marktfähigkeit gebracht. Diese erklärbare KI wird weiterhin gemeinsam mit einem renommierten Dermatoskophersteller in digitale Dermatoskope integriert, um so flächendeckend eine Integration in die Hautkrebsscreening-Untersuchungen zu ermöglichen. Auf diese Weise wird eine Verbesserung der Melanomdiagnostik und somit realer Mehrwert für PatientInnen, ÄrztInnen sowie das Gesundheitssystem geschaffen.
Gleichzeitig dient das sKIn-Projekt als Blaupause für andere Forschungseinrichtungen und soll perspektivisch die Translation KI-basierter Software erleichtern. Hierfür werden konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet und Anregungen für die weitere Ausgestaltung regulatorischer und gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen aufbereitet.
Besseres Verständnis der Risikofaktoren und des Verlaufs des Melanoms bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zur Umsetzung von Strategien für die Gesundheitsversorgung (MELCAYA; Europäische Kommission)
Das Melanom im Kindes- und Jugendalter ist nicht ausreichend erforscht, und es fehlt an angemessenen Präventions-, Diagnose- und Therapiestrategien. Berichten zufolge liegt die Inzidenz des Melanoms bei Kindern unter 15 Jahren bei 1,3-1,6 pro Million und bei 15-19-Jährigen bei 15 pro Million, wobei die Inzidenz bei Jugendlichen seit 1997 jährlich um 4,1 % steigt. Darüber hinaus gehört das Melanom zu den häufigsten soliden Tumoren, die bei jungen Erwachsenen diagnostiziert werden, mit einer Inzidenz von 6,6 pro 100.000 und einer Mortalität von 4 pro Million. Über die Wechselwirkung zwischen genetischen und umweltbedingten Faktoren, die in diesem Zusammenhang mit dem Melanomrisiko in Verbindung gebracht werden, sowie über die Entwicklung vom gutartigen Nävus zum Melanom ist wenig bekannt. Da sich gutartige melanozytäre Läsionen bei fast jedem Kind entwickeln und bei über 1 % bei der Geburt vorhanden sind, ist die diagnostische Genauigkeit des Melanoms in dieser Altersgruppe sehr gering. Eine große Zahl gutartiger Läsionen wird unnötigerweise entfernt (593,8 gutartige Nävi pro Melanom unter 20 Jahren). Darüber hinaus führt die im Vergleich zu Erwachsenen geringere Sensitivität zu einer späten Diagnose mit schlechteren Ergebnissen, obwohl Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (CAYA), insbesondere die Kinder, eine 90 %ige 10-Jahres-Überlebensrate bei Erkrankungen im Stadium I/II aufweisen könnten. Melanome in CAYAs stellen daher eine medizinische Herausforderung dar. Algorithmen des maschinellen Lernens spielen bei der Melanomdiagnose eine immer wichtigere Rolle. Diese Algorithmen beruhen jedoch auf Daten von Erwachsenen und weisen eine Selektionsverzerrung auf, die sowohl für die Unter- als auch für die Überdiagnose von Melanomen bei CAYA nachteilig und potenziell gefährlich sein könnte.
Innerhalb eines Konsortiums aus internationalen Melanomexperten verschiedener Fachrichtungen, internationalen Referenzkliniken für pädiatrische und jugendliche Patienten, KI-Datenwissenschaftlern, Grundlagenforschern, innovativen technologischen KMUs und Patientenverbänden ist die Brinker-Gruppe am DKFZ federführend bei der Entwicklung von Strategien zur digitalen Prävention und Früherkennung des Melanoms bei CAYAs.
Das Hauptziel des Gesamtprojekts ist es, Einblicke in die Mechanismen der Melanomentstehung und -progression bei CAYA zu gewinnen, um neuartige Strategien zur Prävention und innovative Technologien zur Diagnose und Prognose zu entwickeln.
Charakterisierung der intratumoralen Heterogenität des Melanoms durch räumlich aufgelöste molekulare und KI-basierte Analysen (Hector-Stiftung, Deutschland)
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mit der Klinischen Kooperationseinheit Dermato-Onkologie des DKFZ (Jochen Utikal). Es konzentriert sich auf das Verständnis der räumlichen intra-tumoralen Heterogenität beim malignen Melanom und deren Auswirkungen auf die Patientenprognose. Indem wir sowohl die transkriptionelle als auch die morphologische Heterogenität untersuchen, wollen wir die Beziehung zwischen den verschiedenen Ebenen der Heterogenität und ihre Korrelation mit der Prognose untersuchen und möglicherweise einen Algorithmus trainieren, um relevante Segmente für eine mögliche Verwendung als digitale Biomarker zu identifizieren.
Auf der Ebene der Genexpression wird die Xenium-in-situ-Analyse eingesetzt, um die transkriptionelle Heterogenität zu untersuchen. Es werden ausgewählte Gene aus mesenchymalen und melanozytären Signaturen untersucht. Histologisch werden heterogene Segmente durch pathologische Annotation und KI-basiertes Clustering charakterisiert, um Korrelationen zwischen molekularen und histologischen Eigenschaften weiter zu untersuchen. Ein Deep-Learning-basierter Segmentierungsalgorithmus wird auf Fusionssegmenten trainiert, die aus Überlappungen zwischen den beiden Kategorien resultieren, um räumliche Heterogenität auf neuen Melanomschnitten zu annotieren. Wenn eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Heterogenität und der Prognose festgestellt wird, kann der Algorithmus verwendet werden, um einen Risikoklassifikator als digitalen prognostischen Biomarker zur Vorhersage des Rezidiv- oder Mortalitätsrisikos zu trainieren.
Heterogenität, Entwicklung und Resistenz von fusionsbedingten Sarkomen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (BMBF)
Tumore entwickeln sich durch genetische und nicht-genetische Veränderungen, die zu intra-tumoraler Heterogenität (ITH) führen, einem Schlüsselfaktor für Rückfälle und Therapieresistenz. Unser Schwerpunkt liegt auf Knochen- und Weichteilsarkomen, die durch chimäre Fusionsgene verursacht werden. Diese dienen als Modellkrankheiten für die Untersuchung von ITH bei Krebserkrankungen mit definierten genetischen Triebkräften, um die Erkenntnisse in innovative Behandlungsstrategien gegen verschiedene und sich entwickelnde Tumore umzusetzen. Zu den Herausforderungen gehören begrenzte wirksame Therapien, stagnierende Behandlungsergebnisse und ein frühes Auftreten, was die Dringlichkeit unterstreicht, die Behandlungsergebnisse von Sarkom-Patienten zu verbessern. Fusionsgetriebene Sarkome (FDS) bieten aufgrund ihrer entitätsbestimmenden Fusionsgene eine einzigartige Gelegenheit, die Untersuchung von Subklonen und Plastizität zu erleichtern. FDS weisen auch eine geringe genetische Komplexität auf, was die Identifizierung von ITH-fördernden Faktoren und das Ansprechen auf eine Therapie erleichtert. Wir nutzen das Fachwissen von HEROES-AYA, einem internationalen Netzwerk für Präzisionsonkologie, und wollen FDS bei der Diagnose und während der Therapieresistenz durch modernste Analysen auf Einzelzell- und räumlicher Ebene untersuchen. In-vitro- und In-vivo-Validierungen von Schwachstellen werden in die Entwicklung von klinischen Studien über alle Altersgruppen hinweg einfließen und eine neue Ära der Präzisionsonkologie in Deutschland einläuten. Die Gruppe trägt wesentlich zu den datenwissenschaftlichen Aspekten dieses Projekts bei.
Eine Deep-Learning-Strategie für die Hochdurchsatz-Proteomik von Blutplasma und einzelnen Zellen (Heidelberg Explorer Call)
Dieses Projekt ist eine Kooperation mit dem Proteomik-Labor von Prof. Krijgsveld. Proteine sind die wichtigsten Triebkräfte für Zellfunktionen und Krankheiten. Daher ist die Proteomik ein sehr geeignetes Verfahren zur Charakterisierung von Determinanten der Zellidentität und zur Ermittlung von Biomarkern. Die derzeitige Proteomik-Technologie ist so umfangreich, dass sie Profile von Tausenden von Proteinen erstellen kann, und so empfindlich, dass sie auf einzelne Zellen zugreifen kann. Allerdings fehlt ihr der Durchsatz für eine aussagekräftige Analyse großer Probenkohorten sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Klinik. Daher entwickeln wir neuartige, auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Ansätze für die Analyse massenspektrometrischer (MS) Daten, um Plasmaproteomdaten dem klinischen Status zuzuordnen und Einzelzelldaten mit der Zellidentität zu korrelieren. Darüber hinaus werden wir Proteom-Experimente durchführen, um zu zeigen, dass dieser auf Deep Learning basierende Ansatz den Durchsatz der Plasma- und Einzelzell-Proteomanalyse erhöht. Insgesamt wird dieses Projekt einen bahnbrechenden Ansatz in der Proteomik einführen, der die Stratifizierung von Patienten und die Entdeckung von Biomarkern ermöglicht und das junge Feld der Einzelzell-Proteomik voranbringt.
Entwicklung von digitalen Biomarkern für BAP1-mutierte Krebsarten (Deutsche Krebshilfe)
Im Mittelpunkt des Projekts steht BAP1, ein Tumorsuppressor-Gen, das bei aggressiven Krebsarten häufig mutiert ist. Insbesondere BAP1-Mutationen führen zu einer erhöhten Aggressivität und Metastasierung des Tumors. Das Ziel dieses Projekts ist es, die Anfälligkeit von BAP1-Mutationen zu verstehen und sie für potenzielle Therapien bei BAP1-mutierten Krebsarten zu nutzen. Um dies zu erreichen, wurde ein kollaboratives Konsortium gebildet, dessen Teilprojekte sich auf die Bereitstellung der erforderlichen Materialien, die Prüfung spezifischer Medikamente in vitro, in vivo und in von Patienten stammenden Organoiden sowie auf die Durchführung von Biomarker-Analysen an großen menschlichen Gewebekohorten konzentrieren. Das übergeordnete Ziel besteht darin, den vorgeschlagenen Mechanismus zu validieren und potenzielle Behandlungsmöglichkeiten zu erforschen, wobei der Schwerpunkt auf der Einleitung klinischer Versuche auf der Grundlage der Ergebnisse liegt. Das Projekt integriert verschiedene Ansätze, darunter In-vitro-, In-vivo-, Ex-vivo- und klinische Probenanalysen, um BAP1-mutierte Krebsarten umfassend zu untersuchen und Strategien für eine personalisierte Medizin zu entwickeln. Innerhalb dieses Konsortiums ist unsere Gruppe für die Entwicklung digitaler Biomarker zur besseren Stratifizierung von Patienten zuständig.
Team
20 Mitarbeiter:innen
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Priv. Doz. Dr. Titus Brinker
Abteilungsleitung
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Sarah Haggenmüller
Wissenschaftliche Projektleitung - sKIn
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Max von Knobloch
Technische Projektleitung - sKIn
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Franziska Schramm
Qualitäts- und Risikomanagerin
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Tirtha Chanda
Software Scientist
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Hendrik Alexander Mehrtens
Software Scientist
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Ama Katseena Yawson
Software Scientist
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Dr. Kevin Allen
Usability Engineer
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Katja Hauser
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Julia Abels
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Dr. Sara Laiouar-Pedari
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Lukas Heinlein
Doktorand
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Martin Joachim Hetz
Doktorand
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Dr. Judith Hermanns
Data Scientist
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Jana Winterstein
Doktorandin
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Christoph Wies
Doktorand
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Arlene Kühn
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Gesa Mittmann
Doktorandin
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Carina Nogueira Garcia
Clinician Scientist Fellow
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David Krauß-Roskamm
Wissenschaftliche Hilfskraft
Ausgewählte Publikationen
Chanda, T., Hauser, K., Hobelsberger, S., Bucher, T. C., Garcia, C. N., Wies, C., ... & Brinker, T. J.
Hetz, M. J., Bucher, T. C., & Brinker, T. J.
Brinker, T. J., Faria, B. L., de Faria, O. M., Klode, J., Schadendorf, D., Utikal, J. S., ... & Bernardes-Souza, B.
Kontaktieren Sie uns
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