ERC-Förderung: Wie Muskeln die antivirale Immunität unterstützen
Mit seinen „ERC-Consolidator Grants" unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC) exzellente Wissenschaftler beim Ausbau ihrer unabhängigen Karriere. Guoliang Cui vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) kann sich nun über diese prestigeträchtige ERC-Förderung freuen. Mit den zwei Millionen Euro Fördermitteln will der Immunologe erforschen, wie die Skelettmuskulatur bei chronischen Virusinfekten das Immunsystem unterstützt. Cui leitet eine Forschungsabteilung, die am DKFZ als Träger des Helmholtz-Instituts für Translationale Onkologie* (HI-TRON) Mainz angesiedelt ist.
Die Skelettmuskulatur gilt normalerweise nicht als Teil des Immunsystems. Doch Wissenschaftler beobachten bereits seit langem, dass der mit chronischen Virusinfektionen einhergehende Verlust an Muskelmasse oft von einem Verlust der T-Zell-Funktionen begleitet wird. Auf welche Weise die Muskeln die T-Zellen dabei beeinflussen, ist bislang unbekannt.
Guoliang Cui ist Experte für die Stoffwechselsignale, die die Funktion von T-Zellen des Immunsystems fördern oder unterdrücken. Er untersucht die Zusammenhänge zwischen Immunfunktionen und chronischer Virusinfektion an Mäusen. An den Tieren hat er festgestellt, dass die Skelettmuskulatur dem Funktionsverlust der T-Zellen entgegenwirkt: Aus der Milz wandern zytotoxische T-Zellen in den Muskel ein, wo ihre antivirale Funktion und ihre Fähigkeit zur Zellteilung wiederhergestellt werden. Die wieder aufgepäppelten T-Zellen kehren in die Lymphorgane zurück und beteiligen sich wieder an der Abwehr der Virusinfektion.
Gefördert durch den ERC-Grant will Cui nun untersuchen, wie genau der Muskel auf die Funktion der T-Zellen einwirkt und wie er ihre Wanderung durch den Körper dirigiert. Dazu hat der Immunologe bereits eine Vielzahl an Metaboliten identifiziert, die sich im Muskel anreichern und möglicherweise an diesen Prozessen beteiligt sind.
Außerdem konnte Cui beobachten, dass Mäuse, die genetisch so verändert wurden, dass sie besonders viel Muskulatur aufbauen, auch besonders viele erschöpfte T-Zellen in ihren Muskeln beherbergen. Diese Tiere weisen überraschenderweise einen besonders niedrigen Virustiter auf. Könnte es also sein, dass eine Steigerung der Muskelmasse das Potential hat, die Immunabwehr von chronischen Infektionen zu verbessern? Das ist eine weitere Frage, die Cui nun mithilfe der ERC-Förderung angehen will.
Guoliang Cui wurde 2010 von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai promoviert. Anschließend arbeitete er bis 2012 in der Forschung des Pharmaunternehmens GlaxoSmithKline. Von 2012 bis 2016 ging er als Postdoc an die Yale University. Unterstützt durch einen Helmholtz Young Investigator Award der Helmholtz Gemeinschaft baute er im Anschluss die Nachwuchsforschungsgruppe T-Zell Metabolismus am DKFZ auf, die 2021 in eine Abteilung am HI-TRON Mainz überführt wurde.
In diesem Jahr wurden 2.652 Anträge auf einen ERC Consolidator Grant eingereicht, von denen 313 (ca. zwölf Prozent) gefördert werden. Mit 61 bewilligten Anträgen über alle Fachgebiete hinweg ist Deutschland der Spitzenreiter der diesjährigen Ausschreibung.
* Im HI-TRON Mainz kooperieren das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die TRON gGmbH, die Universitätsmedizin Mainz und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ziel der Partnerschaft ist es, wirksame Immuntherapien zu entwickeln, neue Biomarker für die Behandlung von Tumorerkrankungen zu identifizieren und so die personalisierte Krebstherapie weiter voran zu bringen.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.