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Zülch-Preis 2016: Krebsformen im Kleinhirn

Stefan Pfister vom Deutschen Krebsforschungszentrum und Michael Taylor von der Universität Toronto verbessern die Diagnostik von Hirntumoren bei Kindern und erhöhen damit den Behandlungserfolg

Nr. 27c | 01.08.2016

Im Gehirn und Rückenmark gibt es mehr als hundert verschiedene Arten von Tumoren, die unterschiedlich auf Behandlungen ansprechen. Was dem einen Patienten Heilung bringt, ist beim anderen wirkungslos. Unklar ist oft: Was hilft wem? Stefan Pfister vom Deutschen Krebsforschungszentrum und Universitätsklinikum Heidelberg und Michael Taylor von der Universität Toronto und dem dortigen Hospital for Sick Children haben dazu beigetragen, die Diagnose und Behandlung von Gehirntumoren entscheidend zu verbessern. Sie haben unter anderem gezeigt, dass der bei Kindern häufigste bösartige Hirntumor, das Medulloblastom, sich in vier unterschiedliche Kategorien einteilen lässt, die jeweils individuell behandelt werden müssen. Damit wird es erstmals möglich, diese Arten von Krebs gezielt zu bekämpfen. In Anerkennung ihrer Leistung erhalten die beiden Wissenschaftler den mit 50.000 Euro dotierten K-J.-Zülch-Preis der Gertrud-Reemtsma-Stiftung. Die Preisverleihung findet am 2. September 2016 in Köln statt.

Stefan Pfister
© dkfz.de

Wenn Kinder an Krebs erkranken, dann handelt es sich besonders häufig um Gehirntumoren. Den entarteten Tumorzellen, die sich unkontrolliert im Zentralnervensystem ausbreiten, ist bisher auch mit modernen Behandlungsmethoden häufig nur schwer beizukommen. Ein Grund dafür ist, dass das operative Entfernen der Krebszellen schwierig ist. Die Gefahr ist hoch, dabei das gesunde Gehirngewebe zu beschädigen. Ein weiteres Problem liegt darin, dass Mediziner häufig nicht genau wissen, mit welchem der über hundert verschiedenen Arten von Gehirntumoren sie es zu tun haben und folglich wie sie ihn am effektivsten behandeln können.

Stefan Pfister und Michael Taylor haben mit Hilfe moderner molekularbiologischer Analysen herausgefunden, dass Medulloblastome, bösartige Tumoren im Kleinhirn, an denen besonders häufig Kinder erkranken, vier ganz unterschiedliche Arten von Krebs umfassen. Zwar ähneln sich die entarteten Zellen im Aussehen unter dem Mikroskop, in ihrer genetischen Information unterscheiden sie sich jedoch ganz erheblich, vergleichbar mit den Unterschieden zum Beispiel zwischen Magen- und Darmkrebs, die ja auch nicht gleich behandelt werden.

In jedem der vier Subtypen sind andere Signalwege daran beteiligt, dass sich die Zellen unkontrolliert teilen und in angrenzendes gesundes Gewebe wuchern. Daher reagieren die Subtypen auch ganz unterschiedlich auf verschiedene Behandlungsmethoden. Was der einen Krebszelle den Garaus macht, nimmt die andere gar nicht wahr.

Diese Erkenntnisse haben den Weg dafür geebnet, gezielte Krebstherapien gegen Medulloblastome zu entwickeln. Von gezielter Krebstherapie spricht man immer dann, wenn sich ein Medikament treffsicher genau gegen eine bestimmte Art von Krebszellen richtet und sie an der weiteren Teilung hindert. Der Vorteil solcher Therapien ist, dass sie – anders als beispielsweise Strahlen- oder Chemotherapie – die gesunden Körperzellen nicht oder nur in geringem Maße beeinträchtigen und daher die Patienten weniger unter Nebenwirkungen leiden müssen.

Um zuverlässig herauszufinden, zu welchem Subtyp ein Medulloblastom gehört, hat Stefan Pfister zudem eine neue Diagnosemethode entwickelt. Er hat analysiert, an welchen Stellen das Erbgut der Tumorzellen kleine Anhängsel trägt, sogenannte Methylgruppen. Diese chemischen Modifikationen geben Aufschluss die Prognose des Tumors. Sie zeigen an, aus welchem Zelltyp sich die Tumorzelle entwickelt hat und zu welchem Tumortyp sie folglich gehört.

Bisher wurden Tumoren vor allem auf eine Art analysiert: Mediziner färbten die Zellen an und begutachteten sie unter dem Lichtmikroskop. Vom Aussehen der Tumorzellen schlossen sie dann auf den Krebstyp. Dank der beiden Preisträger wissen wir heute aber, dass sich auf diese Weise wichtige Unterschiede nicht erkennen lassen.

Die Preisträger

Stefan M. Pfister hat an den Universitäten Hamburg und Tübingen Medizin studiert. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School, USA, kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete unter anderem im Universitätskrankenhaus Mannheim, im Universitätsklinikum Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. 2012 übernahm er mit einer Startprofessur im Rahmen der Exzellenzinitiative die Leitung der Abteilung Pädiatrische Neuroonkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum. Seit 2014 ist er Professor für Kinderheilkunde an der Universität Heidelberg. Michael Taylor hat an der Universität Western Ontario, Kanada, Medizin studiert und sich dann an der Universität Toronto auf Chirurgie spezialisiert. Nach einem Forschungsaufenthalt in Memphis, USA, zog er zurück nach Toronto und wurde 2004 Neurochirurg am Hospital for Sick Children in Toronto, Kanada.

Der Zülch-Preis

Die Verleihung des K.-J.-Zülch-Preises 2016 findet am 2. September 2016 um 10 Uhr im Hansasaal des Historischen Rathauses zu Köln statt. Im Anschluss an die Laudatio von Peter Lichter vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg berichtet Stefan Pfister darüber, mit welchen Methoden Hirntumoren treffsicherer diagnostiziert werden können. Manfred Westphal von der Universität Hamburg hält die Laudatio auf Michael Taylor. Anschließend spricht der Preisträger über Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten kindlicher Medulloblastome.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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