Erbgut-Markierung als Angriffsziel für neue Therapie gegen Hirntumoren
Ependymome sind aggressive Hirntumoren, an denen vor allem Kleinkinder erkranken. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Universitätsklinikum Heidelberg waren maßgeblich an einer umfassenden molekularen Analyse dieser Tumoren beteiligt. Sie entdeckten, dass Ependymome mit günstiger und ungünstiger Prognose sich deutlich voneinander unterscheiden. Bei den aggressiv wachsenden Tumoren sind besonders viele Gene durch chemische Veränderungen der DNA, so genannte Methylierung, ausgeschaltet. Medikamente können die Methylierung wieder entfernen und so das Wachstum der Krebszellen verlangsamen. Die Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.
Ependymome sind die zweithäufigsten bösartigen Hirntumoren im Kindesalter. Während bei einigen Patienten das Tumorwachstum nach Operation und Bestrahlung zum Stillstand kommt, nimmt die Erkrankung bei etwa der Hälfte der Kleinkinder rasch einen schweren Verlauf: Der Tumor wächst weiter, die Patienten erliegen oft ihrer Erkrankung. „Wir müssen vor allem die aggressiven Tumoren dieser Kinder besser verstehen, um neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden“, sagt Dr. Hendrik Witt aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Universitätsklinikum Heidelberg.
Ependymome entstehen in verschiedenen Bereichen des Gehirns und des Zentralnervensystems, sehr häufig im Kleinhirn. Kleinhirn-Ependymome lassen sich in zwei Typen unterteilen, wie Stefan Pfisters Team im DKFZ vor einigen Jahren entdeckte: Gruppe B-Tumoren treten bevorzugt bei älteren Kindern und Jugendlichen auf und haben eine relativ gute Prognose. Tumoren der Gruppe A dagegen kehren nach einer intensiven Therapie oft zurück und metastasieren häufig, woran zahlreiche Patienten schließlich versterben.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern und Kinderärzten – aus dem DKFZ und dem Universitätsklinikum Heidelberg, aus Kanada und den USA – analysierte nun das Erbgut von insgesamt 47 Kleinhirn-Ependymomen.
Im Vergleich zu anderen Krebsarten entdeckten die Forscher bei den Ependymomen auffallend wenige Gen-Mutationen. Besonders bemerkenswert war, dass unter den wenigen entdeckten Erbgutveränderungen keine einzige bei mehreren Tumoren auftrat. „Generell finden wir bei Tumoren im Kindesalter weniger Mutationen. Aber bei Ependymomen scheinen sie eine besonders untergeordnete Rolle zu spielen“, sagt Kinderarzt und Molekulargenetiker Hendrik Witt.
Ein anderes Bild ergab sich jedoch bei der Analyse der so genannten epigenetischen Veränderungen des Tumorerbguts. Sie beeinflussen die Funktion der Gene durch chemische Modifikationen, ohne die Gensequenz selbst zu verändern. Im Vergleich zu Gruppe B-Ependymomen zeigen die Tumoren der Gruppe A eine ausgeprägte DNA-Methylierung, eine der am besten untersuchten Formen der epigenetischen Veränderungen. Der Unterschied war so deutlich, dass die Wissenschaftler allein das DNA-Methylierungsmuster als Biomarker für die Prognose der Erkrankung heranziehen konnten.
Die auffälligen epigenetischen Veränderungen der Gruppe-A-Ependymome könnten für das besonders aggressive Wachstum dieser Tumoren verantwortlich sein. Die Forscher prüften daher, ob Medikamente, die die Methylierung reduzieren, gegen die Tumoren wirksam sind. Bei Mäusen mit aggressiven Gruppe A-Ependymomen brachte der Wirkstoff die Tumoren tatsächlich zum Schrumpfen.
„Wir werten diese Ergebnisse als extrem vielversprechend. Da wir Medikamente verwendet haben, die bereits zugelassen sind, versuchen wir jetzt in einer klinischen Studie zu prüfen, ob Kinder mit den gefährlichen Gruppe-A Ependymomen von einer Behandlung profitieren. Das wäre erstmals eine zielgerichtete Behandlung gegen diese Krebsart, gegen die wir sonst kaum etwas ausrichten können“, sagt der Kinderarzt und Molekulargenetiker Stefan Pfister.
Die Arbeit wurde im Programm „Molekulare Diagnostik“ des Deutschen Konsortiums für translationale Krebsforschung (DKTK) durchgeführt.
Epigenomic alterations define lethal CIMP-positive ependymomas of infancy
Mack, S.C., Witt, H. et al.: Nature 2014, DOI: 10.1038/nature13108
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