Neue Technologie entdeckt bisher unbekannte Risikogene für Krebs der Bauchspeicheldrüse
Krebs ist eine Krankheit der Gene. Doch welche Gene dafür verantwortlich sind, dass ein Tumor entsteht, wird bisher nur unvollständig verstanden. Ein internationales Forscherteam vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) und dem Welcome Trust Sanger Institut hat eine neue Technik entwickelt, mit der sich Krebsgene identifizieren lassen, die bislang bei anderen Analysemethoden unsichtbar blieben. Damit konnten sie bisher unbekannte Gene bei Bauchspeicheldrüsenkrebs entdecken. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihren Ergebnissen die Erforschung dieser bis heute meist tödlich verlaufenden Krankheit voranzutreiben. Ihre Ergebnisse haben sie soeben in der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Die Technik, die das Team um Professor Roland Rad vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) entwickelt hat, basiert auf so genannten PiggyBac Transposons, die von den Forschern in das Erbgut der Maus eingebaut wurden. Transposons sind DNA-Stücke, die im Erbgut „herumspringen“ können, sich also selber aus der DNA lösen und an einer beliebigen anderen Stelle wieder einbauen. Wenn ein Transposon durch Zufall ein Krebsgen in einer Zelle trifft, entsteht aus dieser Zelle ein Tumor. Durch den Nachweis des Transposons im Tumorgewebe können die Wissenschaftler dann das getroffene Krebs-Gen finden. So können sie mit der PiggyBac Technologie neue Gene entdecken, die bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen. Den Wissenschaftlern gelang es nun, das Transposon-System so zu konzipieren, dass es gezielt in einzelnen Gewebearten angeschaltet werden kann. Damit können sie jede Art von Krebs individuell auslösen und untersuchen.
Auch andere Technologien wie die Genomsequenzierung können veränderte Gene nachweisen. Krebsgene in Krebszellen sind aber nicht immer verändert. Oft sind auch Hunderte oder Tausende von Genen falsch reguliert: Sie sind nicht verändert, sondern lediglich zu stark an- oder ausgeschaltet. Obwohl man diese Fehlregulierungen mit konventionellen Methoden gut nachweisen kann, bleibt oft unklar, welche der Fehlregulierungen krebsauslösend sind. Das ist mit PiggyBac möglich, denn die Transposons springen direkt in die jeweils relevanten krebsauslösenden Gene.
„Neue Entwicklungen in der Krebsgenomsequenzierung haben uns einmalige Einblicke in die genetischen Grundlagen der Krebsentstehung ermöglicht. Nichtsdestotrotz sind wir weit davon entfernt, die Komplexität der molekularen Prozesse, durch die Krebs entsteht, umfassend zu verstehen“, sagt Roland Rad. „Die von uns entwickelte Transposon-Technologie ermöglicht es uns, besser in bestimmte Bereiche der Krebsbiologie vorzudringen, um Fragen zu beantworten, die man mit anderen Ansätzen nicht untersuchen kann.“
Mit der neuen Technik konnten die Wissenschaftler viele Gene identifizieren, von denen bisher nicht bekannt war, dass sie eine Rolle bei Bauchspeicheldrüsenkrebs spielen. Dazu gehört das Gen Foxp1, das in den 49 untersuchten Tumoren sehr häufig von Transposons getroffen wurde. Wenn Foxp1 angeschaltet war, bildeten sich bei den Tieren Metastasen. Um herauszufinden, ob das Gen auch beim Menschen das Fortschreiten der Krankheit beeinflusst, untersuchten die Wissenschaftler auch Tumoren bei Menschen. Tatsächlich war in den menschlichen Tumoren, die bereits gestreut hatten, das Foxp1-Gen ebenfalls stark angeschaltet.
„Mit PiggyBac haben wir neue Risikogene für Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt, und konnten deren biologische Rolle im Organismus klären. PiggyBac liefert damit Kandidaten, deren Bedeutung wir anschließend in menschlichen Proben prüfen können. Mit den traditionellen Methoden hätten wir diese nicht gefunden“, sagt auch Professor Dieter Saur von der Technischen Universität München.
„Bei der Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs gab es in den letzten Jahrzehnten kaum Fortschritte. Der Hauptgrund dafür ist, dass wir die molekularen Grundlagen der Krankheit einfach nicht richtig verstehen“, erklärt Professor Allan Bradley, emeritierter Direktor des Sanger Instituts. „PiggyBac kann nun zusammen mit Genomsequenzierungen benutzt werden, um dem Ursprung von Bauchspeicheldrüsenkrebs einen Schritt näher zu kommen.“
Wissenschaftler weltweit können nun Risikogene für Bauchspeicheldrüsenkrebs, die in dieser Studie neu entdeckt wurden, aufgreifen und ihre Funktion detailliert untersuchen. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse sollen neue spezifische Medikamente gegen eine Krankheit entwickelt werden, die Prognosen zufolge in wenigen Jahren die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache sein wird. Zahlreiche Arbeitsgruppen weltweit haben bereits damit begonnen, die PiggyBac Technologie zu benutzen, um auch andere Krebsarten zu untersuchen.
Rad, R., Rad, L., Wang, W., Strong, A., Ponstingl, H., Bronner, I.F., Mayho, M., Steiger K., Weber, J., Hieber, M., et al. (2014). A conditional piggyBac transposition system for genetic screening in mice identifies oncogenic networks in pancreatic cancer. Nature Genetics 2014, doi:10.1038/ng.3164
Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen Universitätskliniken in Deutschland. Am Kernzentrum DKFZ und den sieben Partnerstandorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München und Tübingen arbeiten insgesamt zwanzig Einrichtungen zusammen.
Vorrangiges Ziel der im DKTK kooperierenden Wissenschaftler und Ärzte ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung möglichst rasch in neue Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu übertragen. Dazu werden an allen Partnerstandorten gemeinsame Translationszentren aufgebaut.
Patienten sollen für innovative Studien gemeinsam rekrutiert, Daten einheitlich erfasst und Labormethoden harmonisiert und innerhalb des Konsortiums verfügbar werden. Dafür bietet das DKTK den Partnern eine gemeinsame Infrastruktur für die Forschung. Aufgabe des DKTK ist es weiterhin, junge Mediziner und Naturwissenschaftler in der Krebsmedizin und der translationalen Krebsforschung auszubilden.
Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der beteiligten Bundesländer, der Deutschen Krebshilfe und des Deutschen Krebsforschungszentrums. Es zählt zu den sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG).
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