Klinische Kooperationseinheit Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie
Prof. Dr. med. Michael Platten
Das Zentralnervensystem (ZNS) wird als ein immunprivilegiertes Organ betrachtet, in dem Immunantworten trotz der Blut-Hirn-Schranke über einen intensiven Austausch mit dem peripheren Immunsystem streng kontrolliert werden. Durch ein Ungleichgewicht dieser Immunregulation kann es zu Autoimmunität im ZNS kommen, während demgegenüber eine aktive Immunsuppression im Mikromilieu von ZNS Tumoren wie Gliomen effektive Immunantworten zur Tumorbekämpfung unterdrückt. Unsere Gruppe entwickelt und verbessert immuntherapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Hirntumoren mithilfe der Analyse molekularer Mechanismen der Immunsuppression und indem wir neuartige immuntherapeutische Behandlungsmodalitäten nutzen. Unsere Expertise liegt in umfassender zellulärer und auf Bildgebung basierender Analyse der Tumormikromilieus, Transcriptomics, sowie Profiling und Nutzung von Immunrezeptoren, sowohl in Mausmodellen und anhand von klinischen Proben. Unser zentraler Fokus ist die klinische Translation.
In den letzten Jahren haben wir immunsuppressive Funktionen und Mechanismen zweier von Hirntumoren produzierter Schlüssel-Metabolite identifiziert. Unsere Entdeckung, dass Tryptophanmetabolite (Kynurenine) Tumorwachstum und Immunsuppression durch die Aktivierung des Arylhydrocarbonrezeptors (AhR) vermitteln, ermöglichte die Nutzung neuer therapeutischer Zielstrukturen. Nachfolgende Analysen in Tumormodellen laufen, in denen wir das zentrale Ziel verfolgen, Pharmazeutika zu identifizieren, die in den Tryptophankatabolismus eingreifen, um so potentielle Therapeutika für maligne Gliome zu entwickeln. Weiterhin haben wir gezeigt, dass 2-Hydroxyglutarat, das durch IDH-Mutationen von Gliomzellen produziert wird, direkt adaptive zelluläre Immunantworten, aber auch das inerte Immunsystem im Mikromilieu des Hirntumors inhibiert. Diese Erkenntnisse ebnen den Weg zu neuartigen Konzepten der immuntherapeutischen Kombinationstherapie, die wir momentan in präklinischen Gliommodellen untersuchen und in ihre klinische Translation begleiten.
Zentrales weiteres Ziel unserer Untersuchungen ist es, neuartige Zielstrukturen und T-Zellrezeptoren für die gezielte Immuntherapie von Gliomen zu entdecken. In einem MHC humanisierten Maustumormodell haben wir therapeutische Effizienz einer mutationsspezifischen Vakzine gegen die mutierte IDH1 gezeigt und somit den ersten Beweis geliefert, dass mutationsspezifische T-Helferzell-Antworten in der Lage sind, solide Tumoren zu kontrollieren. Auf dieser Basis haben wir eine klinische Phase I Studie erfolgreich durchgeführt, um Sicherheit, Immunogenität und Verträglichkeit dieser Vakzine in Hirntumorpatienten zu testen. In dieser Studie konnten wir starke Immunogenität, eine erhöhte Rate an Pseudoprogression, einen Surrogatmarker für Immunzellinfiltration und erfolgreiche gegen den Tumor gerichtete Immunantworten sowie für die IDH1 Mutation spezifische T-Zellen, die in diese post-Vakzin Läsion infiltrieren, nachweisen. Laufende Projekte sind nun auf die Identifikation weiterer mutierter Antigene für die spezifische Immuntherapie und auf die Entdeckung spezifischer T-Zellrezeptoren (TZR) für die transgene T-Zelltherapie für Gliompatienten fokussiert. Unser Fokus liegt hierbei weiterhin bei CD4+ T-Helferzellen, die lange Zeit bezüglich ihrer Rolle bei der Immuntherapie vernachlässigt wurden. Hierfür haben wir einen Arbeitsablauf zur Entwicklung einer patientenspezifischen zielgerichteten Immuntherapie für Patienten mit Gliomen auf der Basis von Mutanomanalysen und der Identifikation von TZR, sowie ein MHC-humanisiertes murines Gliommodell zur präklinischen Evaluation entwickelt. Bioinformatische Selektion reaktiver, in den Tumor infiltrierender T-Zellen zur TZR-Identifikation, basierend auf moderner Hochdurchsatz-Einzelzell-RNA-Sequenzierung, Einzelzell-VDJ-Sequenzierung sowie TZR-beta deep Sequenzierung, treiben diese Prozesse an und fördern ihre Entwicklung.