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Schneller zur personalisierten Immuntherapie

Nr. 49c | 22.08.2024 | von Koh

Woran genau erkennt das Immunsystem eine Krebszelle? Die Kenntnis der potentiellen Zielstrukturen für die Abwehrzellen ist Grundvoraussetzung für die Entwicklung personalisierter Krebs-Immuntherapien. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem NCT Heidelberg veröffentlichen ein auf Massenspektroskopie basierendes hochempfindliches Verfahren, um solche tumorspezifischen „Neoepitope" zu identifizieren. Das Analyseverfahren ist auf die Detektion dieser selten vorkommenden Proteinfragmente ausgelegt und kommt mit geringsten Mengen an Probenmaterial aus.

© Adobe Stock

Personalisierte Immuntherapien gelten als vielversprechender Ansatz, um Krebserkrankungen wirksamer zu bekämpfen. Zu den personalisierten Immuntherapien zählen etwa therapeutische Krebsimpfungen oder zelluläre Therapien mit T-Zellen, deren Rezeptoren auf den individuellen Tumor zugeschnitten sind. Für die Entwicklung aller personalisierter Immuntherapien gilt eine Grundvoraussetzung: Die krebstypisch veränderten Proteinmerkmale, an denen das Immunsystem des Patienten die Krebszellen erkennt, müssen bekannt sein.

Durch Mutationen veränderte Abschnitte von Proteinen, die vom Immunsystem erkannt werden, bezeichnen Forscher als „Neoepitope". Um sie aufzuspüren, wird zunächst das Tumorerbgut sequenziert. Aus den DNA- und RNA-Sequenzierungsdaten lassen sich dann mit Hilfe leistungsfähiger Bioinformatik diejenigen Mutationen aufspüren, die zu veränderten Proteinen führen und dadurch theoretisch dem Immunsystem des Patienten als „fremd" auffallen können.

Doch dazu müssen Fragmente der veränderten Proteine zunächst auf der Oberfläche der Tumorzellen präsentiert werden. „Nur diejenigen Neoepitope, die von den so genannten HLA-Proteinen auf der Membran der Krebszellen zur Schau gestellt werden, können T-Zellen aktivieren", erklärt Angelika Riemer, Immunologin aus dem DKFZ.

Um solche Neoepitope nachzuweisen und zu identifizieren, wird die Massenspektrometrie (MS) eingesetzt. Dieses Analyseverfahren beruht auf der Bestimmung der Masse elektrisch geladener Proteinfragmente. „Die MS liefert den einzig echten Beweis dafür, dass ein Neoepitop tatsächlich präsentiert wird. Allerdings gehen bei Standardmethoden der MS seltene Peptide wie die Tumor-Neoepitope oft unter und werden nicht detektiert", erklärt die Forscherin. Angelika Riemer und Kollegen aus dem DKFZ und aus dem NCT Heidelberg haben jetzt ein Analyseverfahren veröffentlicht, um in Zukunft schneller und präziser die individuellen Krebs-Neoepitope der Patienten zu bestimmen.

Anhand der Sequenzen der Tumor-DNA und RNA grenzen die Forschenden die in Frage kommenden Proteinfragmente zunächst ein. Genaue Kenntnis der Bindungseigenschaften der HLA-Moleküle hilft weiterhin, vorauszusagen, welches Neoepitop mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Tumoroberfläche präsentiert wird.

Der Trick: Diese Peptide werden zunächst im Labor synthetisiert und dazu genutzt, um die Analyse-Einstellungen des Massenspektrometers für jedes einzelne Peptid zu optimieren. Erst dann wird eine echte Tumorgewebeprobe gemessen: Die Forschenden kennen nun ganz genau die Parameter, unter denen die Neoepitope am besten detektiert werden können.

„Das hat zur Folge, dass mit dem neuen Protokoll viel kleinere Tumorgewebeproben für die Messung ausreichen", erklärt Riemer. Ihrem Team ist es gelungen, in einer Probe von nur zweieinhalb Millionen Krebszellen ein Neoepitop aufzuspüren. „Das entspricht nicht einmal dem Volumen eines Sandkorns", erklärt die Immunologin.

Das Team konnte insgesamt in kleinen Tumorgewebeproben von drei Patienten fünf Neoepitope aufspüren und teilweise sogar durch die Reaktion der T-Zellen der Patienten immunologisch bestätigen.

„Personalisierte Krebs-Immuntherapien werden in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen", sagt Studienleiterin Riemer. „Dabei liefert die MS den ultimativen Nachweis dafür, dass ein Neoepitop auf der Oberfläche der Krebszellen präsentiert wird – und damit ein lohnendes Therapieziel ist. Unser optiPRM-Protokoll soll dabei helfen, diesen Nachweis aus minimalen Gewebeproben zu erbringen und den Klinikern validierte Tumorepitope für die individualisierte Krebstherapie vorzuschlagen."

Die mRNA-basierten Tumorvakzinen, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden, enthalten oft um die 30 verschiedene vorhergesagte Krebs-Neoepitope. Angelika Riemer ist zuversichtlich: „Ein gezielter Ansatz mit validierten Neoepitopen könnte nach unserer Einschätzung mit deutlich weniger Epitopen die gleiche Wirksamkeit erreichen." Noch wichtiger, so betonen die Experten, sei die Validierung der Ziel-Epitope für die Entwicklung von therapeutischen T-Zellen, die mit einem spezifischen Rezeptor ausgestattet werden, um gezielt Krebszellen anzugreifen.

Mogjiborahman Salek*, Jonas D. Förster*, Jonas P. Becker*, Marten Meyer, Pornpimol Charoentong, Yanhong Lyu, Katharina Lindner, Catharina Lotsch, Michael Volkmar, Frank Momburg, Isabel Poschke, Stefan Fröhling, Marc Schmitz, Rienk Offringa, Michael Platten, Dirk Jäger, Inka Zörnig, Angelika B. Riemer
* equal contributors
optiPRM: A targeted immunopeptidomics LC-MS workflow with ultra-high sensitivity for the detection of mutation-derived tumor neoepitopes from limited input material
Molecular and Cellular Proteomics 2024, DOI: https://doi.org/10.1016/j.mcpro.2024.100825

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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