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Die sozioökonomischen Folgen von Krebs – ein unterschätztes Problem

Nr. 15 | 27.03.2024 | von Koh

Viele Krebspatienten leiden nicht nur unter gesundheitlichen Belastungen, sondern auch unter Einkommensverlusten und Zuzahlungen für medizinische Leistungen. Das gilt selbst in europäischen Ländern mit hohem Einkommen und umfassenden Krankenversicherungssystemen. Dieses Problem wurde in der Vergangenheit weitgehend unterschätzt und ist wenig systematisch untersucht. Die Organisation der Europäischen Krebsinstitute (OECI) legt nun Konsensus-Empfehlungen vor, die die Richtung für die zukünftige Forschung zu den sozioökonomischen Folgen von Krebs aufzeigen soll.

© Fotolia

Bislang wurde das Problem vor allem in den USA erforscht und konzentrierte sich auf die so genannte "finanzielle Toxizität" als Folge der teuren Behandlung und der oft begrenzten Versicherungsdeckung. Dabei wird oft übersehen, dass finanzielle Belastungen oft sozioökonomische Konsequenzen für Krebspatienten und ihre Angehörigen nach sich ziehen.

Die bisherige europäische Forschung dazu ist begrenzt und wird durch heterogene Methoden und das Fehlen einer einheitlichen Terminologie behindert. Um diesen Mangel zu beheben und die Forschung und die Politik in diesen Fragen zu leiten, hat eine von der OECI initiierte Task Force jetzt 25 Empfehlungen vorgelegt, die eine umfassende Definition der "sozioökonomischen Auswirkungen" aus der Perspektive der Patienten und ihrer Angehörigen enthalten und eine einheitliche Taxonomie vorschlagen. Die Konsenserklärung der OECI-Task Force zeigt darüber hinaus Richtungen für die künftige Forschung auf, die auch für politische Entscheidungen zur Linderung der sozioökonomischen Belastung von Krebspatienten von Bedeutung sein können.

Die OECI-Task Force wurde geleitet von Michael Schlander, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Institute for Innovation & Valuation in Health Care (InnoVal-HC,) sowie von Wim van Harten vom Niederländischen Krebsinstitut. In einem zweijährigen Prozess haben die Forschenden 25 Konsensempfehlungen erarbeitet. Der Konsensus wurde von 25 Koautoren, die die führenden Krebsforschungszentren in ganz Europa vertreten, befürwortet. Er schlägt eine neutrale wissenschaftliche Definition des Begriffs "sozioökonomische Auswirkungen" sowie einen umfassenden Rahmen vor, der die verschiedenen Dimensionen und einen breiteren Anwendungsbereich definiert, und empfiehlt Richtungen und Standards für künftige Studien.

Der Konsensus der OECI-Task Force schließt eine wichtige Lücke, denn die finanzielle Belastung vieler Krebspatienten führt zu psychischen Problemen und verminderter Lebensqualität. Sogar der Behandlungserfolg kann beeinträchtigt sein, was mit einer höheren Sterblichkeit einhergehen kann. Das Problem betrifft Patienten in allen Stadien der Erkrankung, von der Diagnose über die Behandlung bis hin zum langfristigen Überleben, und erstreckt sich auch auf Partner und Angehörige.

Die Faktoren, die die Anfälligkeit bestimmter Patientengruppen für finanziellen Stress und finanzielle Belastung vorhersagen, sind jedoch nur teilweise bekannt, und es mangelt an soliden Daten über das Ausmaß des Problems und an Wissen über wirksame Interventionsmaßnahmen.

Claudio Lombardo, Generaldirektor der OECI, unterstreicht die Bedeutung der Konsensus-Empfehlungen: "Die Arbeit kann zu einem besseren Verständnis der Probleme beitragen, mit denen Patienten konfrontiert sind. Sie liefert Anhaltspunkte für Verbesserungen und politische Maßnahmen zur Verringerung der sozioökonomischen Belastungen, denen Patienten ausgesetzt sind."

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen, in Folgeprojekten die weitere Forschung zu strukturieren, Messinstrumente zu entwickeln und zu validieren und auch Instrumente zu entwickeln, die Onkologen dabei helfen, Patienten in diesem Bereich besser zu unterstützen.

Die Organisation der Europäischen Krebsinstitute (OECI) wurde 1979 gegründet und zählt derzeit 141 Mitgliedsorganisationen aus Europa und zunehmend auch aus anderen Kontinenten. Die Task Force zu den sozioökonomischen Folgen von Krebs wurde von Michael Schlander im Rahmen der OECI-Arbeitsgruppe für Gesundheitsökonomie eingerichtet. Die Mitglieder der Task Force vertreten gesundheitsökonomische Fachleute aus Krebszentren in 25 EU-Ländern, Chile und Palästina.

Publikation:
Michael Schlander et al.: The socioeconomic impact of cancer on patients and their relatives: Organisation of European Cancer Institutes task force consensus recommandations on conceptual framework, taxonomy, and research directions.
The Lancet Oncology 2024, DOI: https://doi.org/10.1016/S1470-2045(23)00636-8

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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