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Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer gezielteren Behandlung von krebsbedingter Fatigue

Nr. 60 | 22.11.2023 | von Koh

Nach überstandener Therapie leiden viele Krebspatienten noch jahrelang unter quälender Müdigkeit und Erschöpfung, der sogenannten krebsbedingten Fatigue. Die Ausprägung der Fatigue wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Experten gehen daher davon aus, dass es sich um ein heterogenes Krankheitsbild handelt. Wissenschaftlerinnen aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum konnten nun bei Brustkrebspatientinnen mögliche Subgruppen der krebsbedingten Fatigue definieren, die sich anhand biologischer Merkmale und psychischer Symptome unterscheiden lassen. Die Studie soll dazu beitragen, in Zukunft individuellere und gezieltere Behandlungen für Fatigue-Betroffene zu entwickeln.

© Adobe Stock

Etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Krebsüberlebenden leidet noch bis zu zehn Jahre nach Ende der Therapie unter krebsbedingter Fatigue, wie Fachleute das anhaltende Gefühl von körperlicher, emotionaler oder kognitiver Müdigkeit und Erschöpfung bezeichnen. Fatigue kann die Lebensqualität und den Alltag der Betroffenen schwer beeinträchtigen.

Im Gegensatz zur Krebstherapie, die heute oft individuell auf die molekulargenetischen Merkmale des Tumors abgestimmt ist, wird die krebsbedingte Fatigue meist undifferenziert behandelt. "Fatigue ist jedoch eine heterogene Krankheit. Sie manifestiert sich in unterschiedlicher Symptomatik und zeitlichen Verläufen, und ihre Entwicklung und Dauer hängen von verschiedenen Faktoren ab" sagt Martina Schmidt vom DKFZ, Erstautorin der aktuellen Arbeit.

„Jeder Fatigue-Fall wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt und es ist daher denkbar, dass es verschiedene Subtypen von Fatigue gibt, die entsprechend ihrer Merkmale behandelt werden müssten. Bislang kennen wir jedoch noch keine eindeutigen Biomarker für Subtypen der Fatigue, die eine besser angepasste und individuellere Therapie ermöglichen könnten", erklärt Mitautorin Karen Steindorf, ebenfalls DKFZ.

In einer kürzlich abgeschlossenen Studie hatten Schmidt und Steindorf gezeigt, dass es ein relevantes Unterscheidungsmerkmal für Fatigue sein könnte, ob die Betroffenen unter depressiven Symptomen und Angst leiden. Mit ihrer aktuellen Arbeit konnten die Forscherinnen diese Ergebnisse nun an Daten von 1871 krankheitsfreien Brustkrebspatientinnen, die zwischen 2002 und 2005 im Rahmen der MARIE-Studie rekrutiert worden waren, bestätigen und zusätzlich Fatigue im Zusammenhang mit Blutmarkern untersuchen.

Die MARIE-Studienteilnehmerinnen wurden 2009 in standardisierten Telefoninterviews zu Fatiguesymptomen sowie Begleiterkrankungen befragt und es wurde ihnen Blut abgenommen. 2014 fand eine erneute Befragung statt, an der noch 1295 Frauen teilnahmen.

Das DKFZ-Team untersuchte die Blutproben auf 16 verschiedene Botenstoffe und Hormone, darunter viele Interleukine, die Entzündungen signalisieren. Das Ziel war, anhand der Biomarker und psychischer Beschwerden Muster zu identifizieren, die auf mögliche unterschiedliche Ausprägungen der Fatigue hindeuten.

Klar abgrenzen konnten die Forscherinnen wieder die Gruppe der Fatigue-Patientinnen (214 Frauen), die von Depressionen betroffen waren. Sie litten unter besonders schweren körperlichen, emotionalen und kognitiven Fatiguesymptomen, die sich zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten kaum verbesserten.

Mit Hilfe der so genannten Cluster-Analyse unter den Frauen ohne Depressions-Vorgeschichte wurden darüber hinaus drei Gruppen definiert: Cluster 1 (195 Frauen) hatte hohe Werte entzündlicher Biomarker, einen hohen Body-Mass-Index und klagte häufig über Schmerzen. Die Fatigue manifestierte sich in dieser Gruppe besonders durch eine körperliche Symptomatik. Im Gegensatz dazu war Cluster 2 (78 Frauen) durch einen hohen Spiegel des Hormons Leptin gekennzeichnet, das unter anderem den Energiehaushalt reguliert, und wies starke kognitive Fatiguesymptome auf. Das dritte Cluster (318 Frauen) zeichnete sich durch keine bestimmten Charakteristika aus.

Die Autorinnen vermuten, dass die begrenzte Anzahl von Faktoren, die sie in der aktuellen Analyse prüfen konnten, ein limitierender Faktor bei der Identifizierung weiterer Subgruppen war. So konnten sie beispielsweise Cortisol und andere wichtige Hormone nicht berücksichtigen. Das könnte auch erklären, warum im zahlenmäßig größten Cluster keinerlei Assoziation mit einem der Biomarker gefunden wurde.

„Cluster-Analysen liefern keinen Beweis dafür, dass die gefundenen Faktoren ursächlich sind für die speziellen Ausprägungen der Fatigue. Aber sie geben Hinweise auf potentielle Subtypen. Und unsere weiteren Analysen zeigen, dass wir in Ausprägung und Verlauf der Fatigue deutlich die drei Gruppen unterscheiden können, die durch Depression, hohe Entzündungsmarker bzw. hohe Leptinspiegel gekennzeichnet sind", erklärt Martina Schmidt.

Entzündungsprozesse werden häufig als mögliche Ursache von Fatigue vermutet. Die vorliegende Analyse bekräftigt dies, weist aber zugleich darauf hin, dass bei vielen Fatigue-Fälle eher andere Ursachen zugrunde liegen. "Künftige Studien zur Fatigue-Therapie könnten diese Subtypen berücksichtigen, um herauszufinden, wie betroffenen Patientinnen und Patienten gezielter und wirksam geholfen werden kann."

Martina E. Schmidt, Tabea Maurer, Sabine Behrens, Petra Seibold, Nadia Obi, Jenny Chang-Claude, Karen Steindorf: Cancer-related fatigue: Towards a more targeted approach based on classification by biomarkers and psychological factors
International Journal of Cancer 2023, DOI: 10.1002/ijc.34791

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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