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Analyse von Krebsstammzellen auf Einzelzellebene

Nr. 16c | 19.03.2021 | von Koh

Mit einem neuen Verfahren lassen sich Stammzellen und Krebsstammzellen auf der Einzelzellebene untersuchen und die daraus hervorgehenden Zellklone direkt nachverfolgen. Entwickelt wurde die Methode von Wissenschaftlern vom Stammzellinstitut HI-STEM*, vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und vom Zentrum für Genomregulation in Barcelona. Die Forscher kombinierten die Analyse der genomischen Krebs-Mutationen mit den assoziierten Expressionsprofilen in jeweils derselben Zelle. Auf diese Weise untersuchten sie tausende von Einzelzellen parallel.

Das Knochenmark beherbergt sowohl gesunde Blutstammzellen als auch Leukämiestammzellen.
© Adobe Stock

Entgegen der landläufigen Meinung sind Krebszellen keineswegs unsterblich und können sich auch nicht unbegrenzt teilen: Reife Krebszellen, die den größten Anteil eines Tumors ausmachen, teilen sich schnell, doch nach einer Anzahl von Zellteilung ist ihre Kapazität erschöpft. Anders dagegen die Krebsstammzellen: Auch sie sind nicht unsterblich, können aber über Jahrzehnte hinweg Nachschub an reifen Tumorzellen liefern. Krebsstammzellen ruhen zumeist, teilen sich nicht und entgehen dadurch der Wirkung vieler Krebstherapien. Daher kommt es nach einer zunächst scheinbar erfolgreichen Therapie oft zum Krebsrückfall.

Krebsstammzellen sind sehr selten und daher sehr schwer zu isolieren und zu untersuchen. Überdies sind sie nahe verwandt mit normalen Stammzellen, die die Regenerationsfähigkeit der Gewebe gewährleisten. Das erschwert die Entwicklung von dringend benötigten Medikamenten, die sich gezielt gegen die Krebsstammzellen richten, ohne dabei den wichtigen Gewebestammzellen zu schaden.

Das internationale Team hat eine Methode entwickelt, mit der Krebsstammzellen, reife Krebszellen und gesunde Gewebestammzellen voneinander unterschieden werden können. Dazu messen die Forscher sowohl die Krebs-Mutationen im Erbgut der Zellen als auch die Genexpression in derselben Zelle: Das Expressionsprofil zeigt an, ob es sich um Stammzellen oder um reife Zellen handelt. Das Mutationsprofil dagegen unterscheidet Krebsstammzellen und die daraus hervorgehenden reifen Krebszellen, so genannte Krebsklone, von gesunden Zellen.

Bei dem als MutaSeq bezeichneten Verfahren untersuchen die Wissenschaftler tausende von Einzelzellen parallel und sammeln dabei genomweite Informationen. Die Technik ermöglicht, schnell ein sehr detailliertes molekulares Profil komplexer Gewebe und Krebsarten zu erstellen und eröffnet so die Möglichkeit für völlig neue Forschungsansätze.

Die Wissenschaftler nutzten die Methode zunächst, um Knochenmarkszellen von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) zu untersuchen. Dabei konnten sie normale Blutstammzellen sowie leukämische Stammzellen identifizieren, außerdem die Vorläufer der Leukämiestammzellen. Darüber hinaus konnten sie Vorläuferzellen, die aus den Teilungen der gesunden Blutstammzellen hervorgehen, von leukämischen Blasten, die aus den Teilungen der Leukämiestammzellen hervorgehen, unterscheiden.

Dabei fielen ihnen unter anderem Leukämiestammzellen auf, die mit den gesunden Blutstammzellen extrem eng verwandt waren. Das verdeutlicht die große Schwierigkeit, Wirkstoffe zu entwickeln, die spezifisch Krebsstammzellen angreifen, aber den gesunden Blutstammzellen nicht schaden. Jedoch stießen die Wissenschaftler bei ihren Analysen auch auf ein interessantes Gen, das in allen Leukämievorläufern, nicht aber in gesunden Blutstammzellen eine Rolle spielt und daher nähere Untersuchung rechtfertigt.

Das Team aus Heidelberg und Barcelona geht davon aus, dass sich die MutaSeq-Methode auch für die Einzelzell-Analyse anderer Tumoren eignet.

* Das Heidelberger Institut für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI-STEM) gGmbH wurde 2008 als Public-Private-Partnership vom DKFZ und der Dietmar Hopp Stiftung gegründet

Lars Velten*, Benjamin A. Story*, Pablo Hernández-Malmierca*, Simon Raffel, Daniel R. Leonce, Jennifer Milbank, Malte Paulsen, Aykut Demir, Chelsea Szu-Tu, Robert Frömel Christoph Lutz, Daniel Nowak, Johann-Christoph Jann, Caroline Pabst Tobias Boch, Wolf-Karsten Hofmann, Carsten Müller-Tidow, Andreas Trumpp, Simon Haas & Lars M. Steinmetz: Identification of leukemic and pre-leukemic stem cells by clonal tracking from single-cell transcriptomics. (* Joint first authorships)
Nature Communications 2021, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-21650-1

 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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