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Genetisches Routinescreening für bestimmte kindliche Hirntumoren bald Standard?

Nr. 30 | 11.05.2018 | von Mat

Ein internationales Forscherteam des Hopp-Kindertumorzentrums am NCT Heidelberg (KiTZ), des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) hat zusammen mit Kollegen des St. Jude Children's Research Hospital in Memphis und des Hospital for Sick Children in Toronto erbliche Genveränderungen identifiziert, die zur Entwicklung bestimmter bösartiger Hirntumoren (Medulloblastome) führen können. Aus den Erkenntnissen haben die Wissenschaftler Empfehlungen für das genetische Routine-Screening von Medulloblastom-Patienten abgeleitet.
Das Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

MRT-Aufnahme eines Medulloblastoms
© Wikimedia/Hellerhoff

Medulloblastome sind seltene bösartige Tumoren des Kleinhirns, die vorwiegend bei Kindern vorkommen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass in vielen Fällen erbliche Gendefekte die Entstehung dieser bösartigen Krebserkrankung auslösen. Standards für ein Routinescreening der Patienten nach solchen bekannten genetischen Faktoren oder gar Richtlinien und eine entsprechende flächendeckende Infrastruktur für die genetische Beratung betroffener Familien gibt es bisher allerdings nicht.

Nun ist es Wissenschaftlern gelungen, das Erbgut von 1022 Medulloblastom-Patienten genauer zu charakterisieren und daraus eine Empfehlung für das genetische Patientenscreening abzuleiten. „Wir haben so genannte Prädispositionsgene analysiert, also Gene, die mit der Entwicklung unterschiedlichster Krebsarten bei Kindern und Erwachsenen in Zusammenhang gebracht werden", sagt Sebastian Waszak vom EMBL Heidelberg, einer der Erstautoren der Studie. Es stellte sich heraus, dass sechs dieser Gene bei Medulloblastom-Patienten deutlich häufiger als erwartet von einer genetischen Veränderung betroffen waren.

Analysierte man diese sechs Gene statistisch, so zeigte sich, dass bei etwa fünf Prozent der untersuchten Patienten das Krebsrisiko erhöht war. Berücksichtigte man alle Krebsrisiko-Gene bei der Auswertung, so hatten elf Prozent der Patienten ein erhöhtes Krebsrisiko. Betrachtete man eine spezielle Untergruppe allein, die so genannten „SHH-Medulloblastome", so betrug der Anteil sogar 20 Prozent.

Mutationen in Prädispositionsgenen kommen in jeder einzelnen Zelle des Patienten vor und werden auch an die Nachkommen weitervererbt. „Mutationen dieser Art deuten häufig auf eine familiäre Veranlagung für Krebserkrankungen hin und stellen deshalb besondere Anforderungen an die Behandlung der Patienten und die Beratung der Familien", erklärt Paul Northcott vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis, der sich die Erstautorenschaft mit Waszak teilt. Mehr Gewicht bekommen die Ergebnisse dadurch, dass nicht nur Material aus früheren Untersuchungen, sondern auch Patientendaten aus vier laufenden oder kürzlich abgeschlossenen klinischen Studien in die Analysen einbezogen wurden.

Basierend auf diesen Erkenntnissen sowie weiteren Tumormerkmalen entwickelten die Wissenschaftler Kriterien für ein genetisches Routine-Screening. „Erbliche Krankheitsfaktoren haben meist erheblichen Einfluss auf die ganze Familie des Patienten", sagt Stefan Pfister, KiTZ Direktor, Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum sowie Oberarzt am Universitätsklinikum Heidelberg. „Wir möchten erreichen, dass die genetische Analyse bei Patienten mit bestimmten Formen des Medulloblastoms als Standard-of-care-Verfahren angeboten wird." Um dies flächendeckend zu ermöglichen, hat Pfister vor kurzem zusammen mit Christian Kratz von der Medizinischen Hochschule Hannover ein Register für Patienten mit erblicher Krebsprädisposition ins Leben gerufen. Außerdem haben sie eine Website erstellt, die viele nützliche Informationen für Patienten, Familien und Ärzte enthält: www.krebs-praedisposition.de.

Das Projekt wurde maßgeblich unterstützt vom Deutschen Krebskonsortium (DKTK), der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Kinderkrebsstiftung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Originalpublikation:
Waszak et al. Spectrum and prevalence of genetic predisposition in medulloblastoma: a retrospective genetic study and prospective validation in a clinical trial cohort. The Lancet Oncology. Online publication 10. Mai 2018; DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(18)30242-0

Ein Bild zur Pressemitteilung steht zum Download zur Verfügung:
https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2014/bilder/Medulloblastom-MRT-Hellerhoff-Wikimedia.jpg

Bildunterschrift:
MRT-Aufnahme eines Medulloblastoms

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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg. www.klinikum-heidelberg.de

Das Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg (KiTZ)
Das „Hopp-Kindertumorzentrum am NCT Heidelberg" (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebserkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.

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