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Immuntherapie bei metastasiertem Darmkrebs nutzt erstmals das angeborene Immunsystem

Nr. NCT 01 | 02.05.2016 | von Fel

Eine Darmkrebserkrankung mit Metastasen ist schwer zu behandeln. Wissenschaftler des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und des Universitätsklinikums Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben jetzt herausgefunden, dass sich die Metastasen das Immunsystem zum Komplizen machen. Dabei spielen die Makrophagen, auch Fresszellen genannt, eine zentrale Rolle. Offenbar werden sie in der Leber von den Metastasen derart beeinflusst, dass sie Tumorzellen helfen zu wachsen und sich zu verbreiten. Ursache ist ein Signalweg, den auch das HI-Virus als Eintrittspforte in menschliche Zellen nutzt. Ein Hemmstoff wird bereits bei HIV-Infizierten therapeutisch eingesetzt. Die Wissenschaftler und Ärzte haben die Wirkung des Medikaments nun in präklinischen Laborversuchen und in einer anschließenden Studie an 14 Patienten mit metastasiertem Darmkrebs erfolgreich getestet. Die Phase-I-Studie wurde von der Dietmar Hopp Stiftung mit 300.000 Euro gefördert. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Cancer Cell publiziert.
Das NCT Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe.

Das HIV-Medikament Maraviroc blockiert das Oberflächeneiweiß CCR5. Dadurch werden die Makrophagen in der Leber aktiviert die Metastasen zu bekämpfen. Die Metastasen in der Leber (links) verschwanden bei diesem Pateinten nach Behandlung (rechts).
© dkfz.de

Die Lebenserwartung von Patienten mit nicht-operablem metastasiertem Darmkrebs beträgt etwa 24 Monate. In dem fortgeschrittenen Stadium sind die noch verfügbaren Therapieoptionen gering. Immuntherapeutische Ansätze sind bisher wenig erfolgreich, obwohl sich Immunzellen und deren Signalstoffe in der Nähe der Krebszellen nachweisen lassen. Aktuelle Immuntherapien haben das Ziel, die erworbene Immunabwehr zu stärken. Dabei sollen vor allem die T-Zellen gegen die Tumorzellen aktiviert werden. Den Wissenschaftlern aus Heidelberg und Hannover ist es nun gelungen, auch den angeborenen Teil des Immunsystems zu mobilisieren. Dazu haben sie in Laborversuchen die Immunzellen, insbesondere die Makrophagen, aus dem Gewebe um Lebermetastasen von Darmkrebspatienten genauer untersucht. „Ursprünglich vermutete man, dass auch die Immunabwehr in den Metastasen noch eine gewisse Wirksamkeit gegen den Tumor hat“, erklärt Dr. Niels Halama, Arzt und Wissenschaftler in der Abteilung Medizinische Onkologie am NCT. „Bei Darmkrebspatienten konnten wir jetzt zeigen, dass die Metastasen die Makrophagen in ihrer Umgebung so manipulieren, dass sie das Krebswachstum sogar fördern, statt es zu bekämpfen.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei das Signalprotein CCL5, das in der Regel an Entzündungsprozessen beteiligt ist, weil es Immunzellen in das Gewebe hineinzieht. Hohe Konzentrationen von CCL5 werden beispielsweise bei Krankheiten wie der rheumatoiden Arthritis, Multipler Sklerose und Morbus Hodgkin gefunden. Auch bei Brustkrebs-Metastasen wurden hohe Werte von CCL5 und damit verbunden ein tumorförderndes Milieu beobachtet.


Die Forscher fanden heraus, dass die T-Zellen in Nähe der Lebermetastase, CCL5 produzieren. Damit das Protein wirken kann, muss es an sein Gegenstück den Rezeptor CCR5 binden. Dieses Eiweiß befindet sich auch auf der Zelloberfläche von Makrophagen. Der Rezeptor CCR5 ist bereits aus der HIV-Forschung gut bekannt, denn das HI-Virus bindet an CCR5 und dringt so in die Zellen ein. Ein bereits zugelassenes Medikament blockiert das Oberflächeneiweiß CCR5 und wird bei HIV-Infizierten therapeutisch genutzt.
Die Wissenschaftler untersuchten die Wirksamkeit dieses HIV-Medikaments zunächst in präklinischen Versuchen an den Lebermetastasen. Die Blockade von CCR5 verwandelte die Makrophagen im Gewebe um die Metastase von tumorfördernd zu tumorbekämpfend. Die „umprogrammierten“ Fresszellen konnten die Krebszellen zerstören und schonten gleichzeitig das umliegende gesunde Lebergewebe. „Die Untersuchungen haben unser Verständnis der Immunregulation bei Krebs verbessert. Es scheint, dass die CCL5-CCR5 Achse eine wichtige Bedeutung für die Aktivierung der Makrophagen hat. Und das nicht nur bei einer Virusinfektion wie bei HIV, sondern auch bei Krebserkrankungen“, erläutert die Immunologin Prof. Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover.


Nach den präklinischen Experimenten konnten die Forscher den Mechanismus in einer Phase-I-Studie mit 14 Patienten bestätigen und einen Rückgang einzelner Metastasen beobachten. Die Studie wurde von der Dietmar Hopp Stiftung gefördert. „Die Daten der klinischen Studie zeigen eine sehr gute Verträglichkeit des HIV-Medikaments. Aber auch das Ansprechen in Kombination mit einer Chemotherapie ist vielversprechend“, berichtet Prof. Dirk Jäger, Ärztlicher Direktor am NCT und Sprecher des Forschungsschwerpunkts Tumorimmunologie am DKFZ. „Gerade für Darmkrebspatienten könnten neue Immuntherapien die Behandlungsmöglichkeiten massiv verbessern“, fügt Prof. Markus W. Büchler hinzu, Geschäftsführender Direktor der chirurgischen Universitätsklinik in Heidelberg.


Mit dieser Forschungsarbeit ist es zum ersten Mal gelungen, Makrophagen durch CCR5-Blockade gegen den Tumor zu reaktivieren. Die Wissenschaftler hoffen nun diese neue Immuntherapie, die das angeborene Immunsystem nutzt, weiter zu entwickeln. „Wir beginnen in Kürze weiterführende klinische Studien, um das Potential dieser neuen Therapieoption bei anderen Tumorerkrankungen besser zu verstehen“, ergänzt Niels Halama, der auch der Leiter der klinischen Studie bei metastasiertem Darmkrebs ist.

Folgendes Bild zur Pressemitteilung steht im Internet kostenfrei zur Verfügung unter:
https://www.nct-heidelberg.de/fileadmin/media/news/pressemitteilungen/PM_Cancer_Cell.jpg

BU: Das HIV-Medikament Maraviroc blockiert das Oberflächeneiweiß CCR5. Dadurch werden die Makrophagen in der Leber aktiviert die Metastasen zu bekämpfen. Die Metastasen in der Leber (links) verschwanden bei diesem Pateinten nach Behandlung (rechts).


Literatur:
Halama N, Zoernig I, Berthel A , Kahlert C,  Klupp F, Suarez-Carmona M, Suetterlin T, Brand K, Krauss J,  Lasitschka F, Lerchl T, Luckner-Minden C, Ulrich A, Koch M, Weitz J, Schneider M, Buechler M W, Zitvogel L, Herrmann T, Benner A,  Kunz C, Luecke S, Springfeld C, Grabe N, Falk CS, Jaeger D (2016) Tumoral immune cell exploitation in colorectal cancer liver metastases can be targeted effectively by anti-CCR5 therapy in cancer patients. Cancer Cell 29: 587-601

Ansprechpartner für die Presse:

Dr. Friederike Fellenberg
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Im Neuenheimer Feld 460
69120 Heidelberg
Tel.: +49 6221 56-5930
Fax: +49 6221 56-5350
E-Mail: friederike.fellenberg@nct-heidelberg.de
www.nct-heidelberg.de

Dr. Stefanie Seltmann
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
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Fax: +49 6221 42-2968
E-Mail: S.Seltmann@dkfz.de
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Doris Rübsam-Brodkorb
Universitätsklinikum Heidelberg und Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Im Neuenheimer Feld 672
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E-Mail: doris.ruebsam-brodkorb@med.uni-heidelberg.de
www.klinikum.uni-heidelberg.de


Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist die Verknüpfung von vielversprechenden Ansätzen aus der Krebsforschung mit der Versorgung der Patienten von der Diagnose über die Behandlung, die Nachsorge sowie der Prävention. Die interdisziplinäre Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, zeitnah erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.


Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
 

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