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Ernährungsmythen bei Krebs

Nr. 42 | 12.10.2016 | von jg / Koh

Fasten hungert Tumoren aus, Zuckerverzicht bremst Krebswachstum, basische Lebensmittel schützen vor Krebs: Eine Vielzahl an Diäten oder Ernährungsweisen hat angeblich das Potenzial, Krebs vorzubeugen oder zu verhindern, dass sich die Krankheit im Körper ausbreitet. Halten diese Theorien der wissenschaftlichen Überprüfung stand? Dazu ein Interview mit Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes, zum Welt-Ernährungstag am 16. Oktober.

Susanne Weg-Remers
© DKFZ/Tobias Schwerdt

Frau Dr. Weg-Remers, nach einer Krebsdiagnose machen sich viele Betroffene Gedanken über ihre Ernährung. Dahinter steckt meist die Hoffnung, durch bestimmte Lebensmittel – oder aber durch den Verzicht darauf – zu verhindern, dass die Krankheit wieder auftritt oder sich ausbreitet. Im Internet kursieren zahlreiche solcher Empfehlungen, und viele Anrufer des Krebsinformationsdienstes haben Fragen dazu.

Das ist richtig. Oft erreicht uns etwa die Frage, ob Zucker das Tumorwachstum ankurbelt. Tatsächlich gibt es Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass Krebszellen einen anderen Energiestoffwechsel haben als normale Zellen. Doch klar ist auch: Das gilt längst nicht für alle Zellen, längst nicht für jede Krebsart und jede Krankheitssituation. Ein vollständiger Verzicht auf Zucker ist also gar nicht notwendig. Die aktuellen Leitlinien zur Ernährung von Krebspatienten sagen sogar ganz klar: Der Nutzen einer Ernährungsweise, bei der man völlig auf Zucker und womöglich noch alle anderen Kohlenhydrate verzichtet, ist bisher nicht belegt.

Lässt sich Krebs „aushungern"?

Wer gleich ganz auf Kohlenhydrate verzichtet oder gar fastet, tut sich meist nichts Gutes. Das können sich die meisten Krebspatienten gar nicht leisten, ohne dramatisch an Gewicht zu verlieren. Wer trotz seiner Krebserkrankung noch zu viel auf die Waage bringt, kann dagegen durchaus darüber nachdenken, sich weniger energiereich zu ernähren – aber nur nach Absprache mit den Ärzten.

Auch Kaffee steht häufig unter Verdacht, Krebs zu begünstigen.

Dabei ist er offenbar besser als sein Ruf: Eine schädliche Wirkung konnte bisher jedenfalls nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil, es gibt aus Studien erste Hinweise auf einen schützenden Effekt, denn Kaffee enthält viele wichtige Stoffe, die sich auch in Obst und Gemüse finden. Während einer Krebstherapie sollte man dagegen eher die Ärzte fragen, ob sie eine Wechselwirkung zwischen Kaffee und den einzunehmenden Arzneimitteln erwarten.

Entsäuern durch basische Lebensmittel, entgiften mit Detox-Smoothies, entschlacken durch Tee- oder Saftkuren - auch das sind Schlagworte, die nach einer Krebsbehandlung immer wieder fallen.

Bisher gibt es keine wissenschaftlich anerkannten Belege dafür, dass Krebspatienten eine Entgiftung, ein "Entsäuern" oder eine Schadstoff-"Ausleitung" überhaupt nötig haben. Selbst nach belastenden Behandlungen, wie etwa einer Chemotherapie, schafft der Körper die Entgiftungsleistung ohne Unterstützung von außen. Die meisten Zytostatika werden innerhalb weniger Stunden oder Tage über Darm und Niere ausgeschieden. Und zum Thema Entschlackung: Viele Hypothesen hinter dieser Idee sind aus heutiger Sicht nicht mehr haltbar. Die oft schon Jahrhunderte alten Theorien stimmen längst nicht mehr mit dem überein, was wir heute über den Stoffwechsel des Menschen und den Verlauf von Krankheiten wie Krebs wissen. Ich befürchte, dass es bei solchen Angeboten, auf die Krebspatienten beispielsweise im Internet stoßen, vielfach um Geschäftemacherei geht.

Gibt es spezielle Diäten, die Krebspatienten guten Gewissens zu empfehlen sind?

Studien, die die Wirkung spezieller Krebsdiäten eindeutig belegen, fehlen. Grundsätzlich weiß man heute: Jede sehr einseitige Form der Ernährung schadet eher, als dass sie etwas nutzt. Das gilt auch für die sogenannten Superfoods; das sind Lebensmittel, denen aufgrund ihres hohen Anteils an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien eine besondere gesundheitlich positive Wirkung zugeschrieben wird – Chia-Samen, Matcha-Tee oder Rote Beete zum Beispiel.

Bei der Beurteilung von speziellen Ernährungskonzepten empfehle ich eine differenzierte Sichtweise, die weder verteufelt noch idealisiert. Statt auf eine bestimmte Diät oder Superfoods zu setzen, sollte man sich besser so abwechslungsreich und ausgewogen wie möglich ernähren. Droht eine krankheitsbedingte Mangelernährung, so sind Krebspatienten unter Umständen auf eine ärztlich angeleitete Ernährungstherapie angewiesen.

Der Krebsinformationsdienst ist täglich von 8:00 bis 20:00 Uhr unter der kostenfreien Rufnummer 0800 420 30 40 zu erreichen.

www.krebsinformationsdienst.de

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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