microRNA bremst Invasion von Hautkrebszellen
Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum identifizierten eine microRNA, die ein bekanntes Krebsgen blockiert und dadurch die Invasionsfähigkeit von Zellen des schwarzen Hautkrebses unterdrückt. Melanomzellen, die mit dieser microRNA ausgestattet wurden, bildeten in Mäusen weniger Lungenmetastasen aus.
Im menschlichen Erbgut kodieren viele hunderte von Genen für so genannte microRNAs. Diese winzigen RNA-Moleküle, die nur aus rund 20 Bausteinen bestehen, enthalten keine Bauanleitung für Proteine, sondern übernehmen Steuerungsaufgaben in der Zelle: Dazu binden sie direkt an passende Sequenzen proteinkodierender mRNA-Moleküle, die dadurch nicht mehr in ein Protein übersetzt werden können.
„Bei vielen Krebsarten bilden die Tumorzellen ein Muster von microRNAs, das von dem gesunder Zellen abweicht“, sagt Stefan Eichmüller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Je nachdem, welche Gene die microRNAs in der Zelle blockieren, können sie das Krebswachstum entweder antreiben oder bremsen. Sie haben dadurch großen Einfluss darauf, wie die Erkrankungen verlaufen.“
Eichmüller und seine Gruppe wollten nun untersuchen, ob microRNAs auch die bösartigen Eigenschaften des Melanoms beeinflussen. Der schwarze Hautkrebs ist besonders gefürchtet, da die Tumoren schon frühzeitig Metastasen absiedeln. Daher ist die Invasionsfähigkeit und Mobilität dieser Krebszellen ein guter Indikator für ihre bösartigen Eigenschaften, auf den sich die Forscher bei ihren aktuellen Studien konzentrierten.
Dazu statteten sie eine humane Melanom-Zelllinie nach dem Zufallsprinzip mit jeweils einer einzigen aus einer ganzen „Bibliothek“ von rund tausend verschiedenen mircoRNAs aus. Anschließend prüften sie, welche Distanzen die Zellen in einem speziellen Gel zurücklegten.
Erwartungsgemäß fanden die Forscher ein breites Spektrum an Wanderstrecken – je nachdem, ob die jeweilige Zelle eine microRNA „erwischt“ hatte, die ihre bösartigen Eigenschaften förderte oder aber hemmte. Unter denjenigen Zellen, die sich nur minimal fortbewegt hatten, identifizierte das Team schließlich die microRNA miR-339-3p. Eine Blockade von miR-339-3p steigerte den Wandertrieb der Zellen deutlich – der Beweis dafür, dass das Molekül tatsächlich die Invasionsfähigkeit der Zellen beeinflusst. Auf die Überlebensfähigkeit der Zellen hatte miR-339-3p jedoch so gut wie keinen Einfluss.
Mehrere untersuchte Melanom-Zelllinien wiesen deutlich weniger miR-339-3p auf als normale Melanozyten aus der Haut. Statteten die Forscher diese Zelllinien mit zusätzlicher miR-339-3p aus, verloren sie an Invasivität.
Mit bioinformatischen Methoden ermittelte das Team um Eichmüller, dass miR-339-3p in den Melanomzellen unter anderem das bekannte Onkogen MLC1 blockiert. MLC1 fördert das Überleben der Krebszellen, seine Überexpression ist beim Melanom mit schlechter Prognose verbunden. „miR-339-3p blockiert offensichtlich ein zentrales Schlüsselmolekül, das viele der bösartigen Eigenschaften der Melanomzellen fördert“, erklärt Stefan Eichmüller den Befund.
Übertrugen die Wissenschaftler mit miR-339-3p ausgestattete Melanomzellen auf Mäuse, so entwickelten die Tiere tatsächlich weniger Lungenmetastasen als Artgenossen, denen unbehandelte Krebszellen übertragen worden waren.
Frühere Untersuchungen hatten bereits bei anderen Krebsarten microRNAs identifiziert, die die Bildung von MCL1 hemmen und dadurch die Invasionsfähigkeit der Zellen drosseln. „Mit miR-339-3p haben wir nun auch für das Melanom einen echten neuen Tumorsuppressor entdeckt“, sagt Eichmüller. „Nun muss geprüft werden, ob sich miR-339-3p als diagnostischer Marker eignet, mit dem die Aggressivität von Melanomen beurteilt werden kann.“
Claudia E.M. Weber, Chonglin Luo, Agnes Hotz-Wagenblatt, Adriane Gardyan, Theresa Kordaß, Tim Holland-Letz, Wolfram Osen, Stefan B. Eichmüller: miR-339-3p is a tumor suppressor in melanoma. Cancer Research 2016, DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-15-2932
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