Dr. Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention und des WHO Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle im DKFZ erklärt: „Der Tabakatlas zeigt, dass noch viel zu tun ist, um den hart erkämpften Rückgang des Rauchens weiter voranzutreiben und die Tabakkontrollpolitik vor den Interessen der Tabakindustrie zu schützen.“
Der Tabakatlas fasst unter anderem neueste Daten zu regionalen und geschlechtsspezifischen Unterschieden im Tabakkonsum zusammen und analysiert deren zeitliche Veränderung. Die meisten Rauchertodesfälle unter beiden Geschlechtern finden sich in Bremen und Berlin: Hier sterben 23 Prozent der Männer und 11 Prozent der Frauen an den Folgen des Rauchens. In Baden-Württemberg und Bayern sterben die wenigsten Männer (17 und 18 Prozent) und in Sachsen und Thüringen die wenigsten Frauen (4 und 5 Prozent) an den Folgen ihres Rauchverhaltens.
Während das Rauchverhalten der 25- bis 69-Jährigen seit 2009 weitgehend stabil blieb, sanken die Raucheranteile unter jungen Erwachsenen und Minderjährigen stetig. Gleichzeitig kamen elektronische Inhalationsprodukte wie E-Zigaretten und E-Shishas auf den Markt und neue Konsumtrends entstanden. Diese wurden besonders von Jugendlichen angenommen: So hat rund ein Drittel der 12- bis 17-Jährigen bereits Wasserpfeife geraucht und ein Viertel hat E-Zigaretten ausprobiert.
Die Zigarette ist und bleibt ein Giftgemisch, mit dessen Konsum eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung einhergeht. Die durch das Rauchen verursachten Krankheiten umfassen vorwiegend Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen. Bei den Männern machen Krebserkrankungen 52 Prozent und bei den Frauen 41 Prozent der tabakbedingten Todesfälle aus. In den vergangenen Jahren wurde die Liste tabakbedingter Krankheiten um solche wie Diabetes-Typ-2, Erektionsstörungen, altersbedingte Makuladegeneration sowie Tuberkulose und weitere Krebsarten wie Leber- und Darmkrebs erweitert. Auch das im Tabak und in elektronischen Inhalationsprodukten enthaltene abhängig machende Nikotin ist im Licht aktueller Forschungsergebnisse keine harmlose Substanz. Nikotin ist giftig und steht im Verdacht, chronische Erkrankungen wie Arteriosklerose und die Entstehung und das Voranschreiten von Krebs zu fördern sowie – wenn es während der Schwangerschaft konsumiert wird – langfristig und anhaltend die Lungen- und Hirnentwicklung von Ungeborenen zu beeinträchtigen.
Rauchen schadet nicht nur der Gesundheit, sondern bedeutet auch für die Allgemeinheit eine hohe finanzielle Belastung. So kostet das Rauchen in Deutschland die Gesellschaft jährlich rund 80 Milliarden Euro. Davon sind etwa ein Drittel Kosten für das Gesundheitssystem (direkte Kosten) und zwei Drittel Kosten für die Volkswirtschaft durch Produktionsausfälle und Frühverrentung (indirekte Kosten).
Das Deutsche Krebsforschungszentrum will mit dem Tabakatlas nicht nur Öffentlichkeit und Medien den neuesten Stand der Wissenschaft näher bringen, sondern auch auf Basis der vorgestellten Informationen politische Entscheidungsträger zum Handeln veranlassen. Denn seit dem Jahr 2005 besteht das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, das auch für Deutschland völkerrechtlich bindend ist. Dennoch hat Deutschland einige der darin enthaltenen Maßnahmen noch nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Dazu gehören insbesondere regelmäßige deutliche Tabaksteuererhöhungen sowie ein umfassendes Werbeverbot.
Versäumnisse in der deutschen Tabakkontrollpolitik werden auch im Vergleich mit anderen europäischen Staaten sichtbar: Seit Deutschland im Jahr 2007 das Bundes- und kurz darauf die Landesnichtraucherschutzgesetze eingeführt hat, wurden keine wesentlichen Tabakkontrollmaßnahmen mehr verabschiedet. So wurde neben der deutlichen und regelmäßigen Erhöhung der Tabaksteuer versäumt, ein umfassendes Tabakwerbeverbot zu erlassen (europaweit erlauben nur Deutschland und Bulgarien Tabakwerbung auf Postern und Litfaßsäulen). Zudem besteht in der Gastronomie im Nichtraucherschutz ein Flickenteppich mit vielen Ausnahmen. Aus diesem Grund belegte Deutschland im Jahr 2013 im Ranking der europäischen Tabakkontrollpolitik den vorletzten Platz.
Hinweise:
- Der „Tabakatlas Deutschland 2015“ ist als pdf-Datei unter http://www.tabakkontrolle.de abrufbar
Tabakatlas-2015-final-web-dp-small.pdf - Journalisten erhalten das Handbuch kostenfrei bei der Pressestelle des Deutschen Krebsforschungszentrums unter presse(at)dkfz.de
- Der „Tabakatlas Deutschland 2015“ ist im Pabst-Verlag erschienen (ISBN: 978-3-95853-123-9) und im Buchhandel zum Preis von 19,95 Euro erhältlich und in den Nationalbibliotheken von Deutschland, der Schweiz und Österreich einsehbar.