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Sicherheitsverwahrung für Oxidantien

Oxidativer Stress muss neu bewertet werden

Nr. 66 | 17.12.2012 | von Koh

Oxidativer Stress gilt als Ursache einer ganzen Reihe von Krankheiten. Um das Ausmaß von oxidativem Stress zu messen, wurde bislang meist der Oxidationszustand des kleinen Moleküls Glutathion in Zellextrakten bestimmt. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum zeigten nun erstmals, dass gestresste Zellen ihr oxidiertes Glutathion in einem zellulären Endlager deponieren. Das schützt die Zellen vor oxidativem Stress – und zieht die Aussagekraft der herkömmlichen Messmethode in Zweifel.

Mit einem neuen Biosensor dem oxidierten Glutathion auf der Spur: Die Vakuolen der Hefezellen leuchten grün.
© Tobias Dick, Deutsches Krebsforschungszentrum

Krebs, Alzheimer, Arterienverkalkung und sogar das Altern selbst – die Liste der Krankheiten, an deren Entstehung oxidativer Stress beteiligt sein soll, ist lang. Verursacht wird oxidativer Stress durch sogenannte reaktive Sauerstoffverbindungen, zu denen auch die besser bekannten „freien Radikale“ gehören. Ist eine Zelle mehr reaktiven Sauerstoffverbindungen ausgesetzt als sie umgehend abbauen kann, erleidet sie oxidativen Stress: Wichtige Bausteine wie Proteine, DNA und Lipide werden oxidiert und dadurch geschädigt.

Um festzustellen, ob eine Zelle unter oxidativem Stress steht, untersuchen Forscher häufig den Oxidationszustand des Glutathions. Dieses kleine Molekül schützt die Zelle vor reaktiven Sauerstoffverbindungen, indem es selbst oxidiert wird. Theoretisch sollte die Menge an oxidiertem Glutathion also anzeigen, ob eine Zelle gesund oder oxidativ gestresst ist. Diese Annahme, auf der eine sehr große Zahl wissenschaftlicher Studien basiert, ist jedoch trügerisch, wie nun Forscher um Privatdozent Dr. Tobias Dick vom Deutschen Krebsforschungszentrum zeigen.

„Bisher mussten die Zellen zerstört werden, um das oxidierte Glutathion zu messen“, erklärt Tobias Dick. „Dabei verliert man jedoch jegliche räumliche Auflösung“. Daher war es praktisch unbekannt, wo exakt sich das oxidierte Glutathion in der Zelle befindet. Es wurde angenommen, dass es im Zellplasma verbleibt, wo es entsteht.

Um den tatsächlichen Verbleib des oxidierten Glutathions innerhalb der Zelle genauer zu untersuchen, entwickelten Tobias Dick und seine Mitarbeiter Biosensoren, die durch Lichtsignale den Oxidationsstatus des Glutathion in der intakten Zelle anzeigen. In Hefezellen gelang es den Forschern erstmals, dem oxidierten Glutathion in Echtzeit auf seinem Weg durch die lebende Zelle zu folgen. Dabei zeigte sich überraschenderweise, dass es nicht im Zellplasma bleibt, sondern schnellstmöglich in ein sicheres Depot, die Vakuole, weggeschlossen wird.

Das Zellplasma, wo alle wichtigen Stoffwechselvorgänge der Zelle ablaufen, bleibt dadurch zuverlässig vor oxidativen Schäden verschont. Zellen, die nach der hergebrachten Messmethode für oxidativ gestresst gehalten worden wären, erschienen in ihrem Plasma vollkommen gesund. Tobias Dick und sein Team konnten zwischenzeitlich zeigen, dass dies nicht nur für Hefezellen gilt, sondern ebenso für verschiedene Säugetierzellen und auch für Krebszellen.

Die Ergebnisse bedeuten, dass die Menge des oxidierten Glutathions – entgegen der bisherigen Überzeugung – nichts darüber aussagt, ob die Zelle unter oxidativem Stress leidet oder nicht. „Es ist daher wichtig“, sagt Tobias Dick, „frühere Studien, die eine Verbindung zwischen oxidativem Stress und verschiedenen Erkrankungen anhand der herkömmlichen Messmethode festgestellt haben, neu zu bewerten“.

Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2012/images/66-hefe-wt1.jpg

Legende: Mit einem neuen Biosensor dem oxidierten Glutathion auf der Spur: Die Vakuolen der Hefezellen leuchten grün.

Quelle: Tobias Dick, Deutsches Krebsforschungszentrum

Bruce Morgan, Daria Ezeriņa, Theresa N.E. Amoako, Jan Riemer, Matthias Seedorf und Tobias P. Dick: Multiple glutathione disulfide removal pathways mediate cytosolic redox homeostasis. Nature Chemical Biology 2012, DOI: 10.1038/NCHEMBIO.1142

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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