Nr. 49

Zellteilung unmöglich: Optimierter Wirkstoff schickt Krebszellen in den Tod

Tumorzelle mit vermehrten Spindelpolkörperchen, die auf zwei Spindelpole gebündelt sind
Tumorzelle mit vermehrten Spindelpolkörperchen, die auf zwei Spindelpole gebündelt sind

Viele Tumorzellen haben eine fehlerhafte Zellausstattung. Nur mithilfe eines Tricks gelingt es ihnen, ihre Chromosomen während der Zellteilung korrekt auf ihre Tochterzellen zu verteilen. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben nun eine Substanz entwickelt, die diesen Trick vereitelt und Krebszellen während der Zellteilung in den Tod führt. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Zeitschrift „Cancer Research“ veröffentlicht.

Bei der Teilung von gesunden Zellen werden die Chromosomen, das Erbmaterial, auf genau zwei Tochterzellen gleichmäßig verteilt. Für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgen zwei sogenannte Polkörperchen. Zu Beginn der Zellteilung liegen sie an den gegenüberliegenden Polen der Zelle und bilden Zugfasern aus Proteinen zu den einzelnen Chromosomen aus. Anschließend werden diese unter Spannung zu jeweils einem Pol gezogen und so gleichmäßig auf die beiden Tochterzellen verteilt. Krebszellen haben meist zu viele Polkörperchen. So sollte eine korrekte Zellteilung eigentlich nicht mehr möglich sein, was zum Tod der Krebszellen führen würde – doch haben die meisten Krebszellen einen Trick entwickelt, um diesem Schicksal zu entgehen: Sie bündeln die Polkörperchen zu Aggregaten auf zwei Pole zusammen.

“Diese Aggregatbildung haben wir bereits vor einigen Jahren als potenziellen Angriffspunkt für eine Krebstherapie erkannt“, sagt Professor Alwin Krämer, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Molekulare Hämatologie/Onkologie am DKFZ. In weiteren Untersuchungen fanden die Forscher heraus, dass das Antibiotikum Griseofulvin die Aggregatbildung unterbindet.

Professor Alwin Krämer und Dr. Marc S. Raab, Leiter der Max-Eder-Nachwuchsgruppe Experimentelle Therapien hämatologischer Neoplasien am DKFZ, ist es nun in einer Kooperation mit einem internationalen Forscherteam gelungen, diese Substanz für die Krebstherapie weiter zu entwickeln. An dem Projekt waren unter anderem Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg beteiligt. „Der optimierte Wirkstoff GF-15 setzt die Spannung der Zugfasern herab und verhindert so die Bildung der Aggregate. Daraufhin läuft die Zellteilung chaotisch ab, was schließlich zum Tod der Krebszelle führt“, erläutert Raab. Seine Nachwuchsgruppe wird von der Deutschen Krebshilfe gefördert.

Die Forscher testeten den Inhibitor zunächst in der Kulturschale. Die Substanz wirkte auf verschiedene Zelllinien, die von so unterschiedlichen Krebsarten abstammten wie Dickdarmkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hirntumoren oder Blutkrebs. Auf gesunde Zellen zeigte GF-15 dagegen keine Wirkung. Daraufhin testeten die Wissenschaftler den Wirkstoff auch an Mäusen, die an Dickdarmkrebs oder Knochenmarkkrebs erkrankt waren. Die behandelten Tiere überlebten deutlich länger als die unbehandelten und zeigten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen. „GF-15 weist günstigere pharmakologische Eigenschaften auf als das ursprüngliche Griseofulvin: Es ist spezifischer und wirksamer“, erklärt Krämer. Weitere Tests müssen zeigen, ob GF-15 tatsächlich bis zum wirksamen Krebsmedikament weiterentwickelt werden kann.

Raab MS, Breitkreutz I, Anderhub S, Ronnest MH, Leber B, Larsen TO, Weiz L, Konotop G, Hayden PJ, Podar K, Fruehauf J, Nissen F, Mier W, Haberkorn U, Ho AD, Goldschmidt H, Anderson KC, Clausen MH, Krämer A. GF-15, a novel inhibitor of centrosomal clustering, suppresses tumor cell growth in vitro and in vivo. Cancer Research, 31. August 2012, doi:10.1158/0008-5472.CAN-12-2026

Über das DKFZ

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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