Ein Zuviel an Magensäure kann Sodbrennen verursachen, aber auch chronische Beschwerden, etwa eine Magenschleimhautentzündung oder gar ein Magengeschwür. Zur Behandlung wird vom Arzt meist ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) verschrieben, oft auch als Säureblocker bezeichnet. Beispiele sind die Wirkstoffe Pantoprazol, Omeprazol oder Rabeprazol. PPIs binden und blockieren ein Enzym in den Belegzellen des Magens, die sogenannte Protonenpumpe, und reduzieren so die Magensäureproduktion effektiv.
PPIs sind sogenannte Prodrugs, d.h. sie werden als inaktive Vorstufe eingenommen. Ihre Aktivierung zum eigentlichen Wirkstoff wird durch Protonen angestoßen. Die Anwesenheit vieler Protonen ist das Kennzeichen einer Säure. Die Protonenpumpe in der Darmwand liefert die Protonen für die Ansäuerung der Magenflüssigkeit. Da in der unmittelbaren Umgebung der Protonenpumpe eine besonders hohe Konzentration an Protonen herrscht, werden die PPIs vor Ort aktiviert. Die Protonen-abhängige Aktivierung sorgt dafür, dass PPIs praktisch nur die Protonenpumpe angreifen und lahmlegen, so zumindest die bisherige Lehrmeinung.
Auch wenn die vorübergehende Einnahme von PPIs in aller Regel sehr gut verträglich ist und als unbedenklich gilt, birgt die langjährige Einnahme gesundheitliche Risiken. Unter anderem wird in der Fachliteratur ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Demenz und Infektanfälligkeit diskutiert. Deshalb stellt sich die Frage, ob PPIs auch außerhalb des Magens aktiviert werden und andere Proteine beeinflussen, also unabhängig von einer Umgebung mit hoher Protonen-Konzentration.
Forschende um den Biochemiker Tobias Dick und den Chemiker Aubry Miller, beide am DKFZ, haben sich dieser Frage gemeinsam angenommen. Sie nutzten die sogenannte Click-Chemie, eine Strategie zur Markierung von Molekülen, die vor drei Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie verfolgten damit den Wirkstoff Rabeprazol, ein typischer Vertreter der PPIs, in menschlichen Zellen in der Kulturschale, abseits eines sauren Milieus.
Dabei machte das Team eine überraschende Beobachtung: Der PPI wurde im pH-neutralen Inneren der Zellen aktiviert und verband sich dort mit Duzenden von Proteinen. Die weitere Analyse zeigte, dass es sich dabei um Zink-bindende Proteine handelt. „Das hat uns zu der Hypothese geführt, dass Protein-gebundenes Zink zu einer Aktivierung von PPIs führen kann, ganz unabhängig von der Anwesenheit von Protonen“, erklärt die Biologin Teresa Marker, Erstautorin der Publikation.
Die Forschenden konnten im Verlauf weiterer Untersuchungen zeigen, dass Protein-gebundenes Zink tatsächlich mit dem PPI eine chemische Bindung eingeht, die dann zur Aktivierung des PPI führt. Der aktivierte PPI ist hochreaktiv und verbindet sich an Ort und Stelle mit dem Zink-tragenden Protein. Das wiederum stört Struktur und Funktion des angegriffenen Proteins.
„Aus chemischer Sicht macht dieses Ergebnis Sinn, denn Zink kann die Wirkung von Protonen nachahmen und sich wie eine Säure verhalten“, erklärt der Chemiker Aubry Miller vom DKFZ.
Unter den Zink-tragenden Proteinen, die am stärksten durch den PPI angegriffen wurden, haben einige eine Funktion im Immunsystem. Ob der neu entdeckte Aktivierungsmechanismus mit den bekannten oder vermuteten Nebenwirkungen von PPIs in Verbindung steht, muss aber erst noch in weiteren Studien untersucht werden. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven, um die Nebenwirkungen von PPIs besser zu verstehen“, resümiert Tobias Dick.
Publikation:
Marker T, Steimbach RR, Perez-Borrajero C, Luzarowski M, Hartmann E, Schleich S, Pastor-Flores D, Espinet E, Trumpp A, Teleman AA, Gräter F, Simon B, Miller AK, Dick TP (2025) Site-specific activation of the proton pump inhibitor rabeprazole by tetrathiolate zinc centers. Nature Chemistry, doi: 10.1038/s41557-025-01745-8