Psychische Erkrankungen zählen zu den Volkskrankheiten und verursachen hohe Kosten. Spitzenreiter sind Depressionen, Demenzen und Suchterkrankungen. Der Bedarf an neuen, effektiven Behandlungsansätzen ist daher groß. Hier setzt die Arbeit des Hector Institute for Translational Brain Research an. Die Wissenschaftler wollen über die Erforschung der Nervenzellen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oder Hirntumoren neue therapeutische Angriffspunkte identifizieren.
Nervenzellen von Patienten in der Petrischale
Die Stammzellforschung hat der Psychiatrie und den Neurowissenschaften neue Perspektiven eröffnet. Seit einiger Zeit ist es möglich, aus menschlichen Blut-, Haut- oder Haarproben durch Reprogrammierung Stammzellen zu gewinnen. Aus diesen wiederum können Nervenzellen entwickelt werden. Auf diesem Weg lassen die Forscherinnen und Forscher des HITBR gezielt Nervenzellen von Patienten mit psychischen Erkrankungen in der Petrischale zu Netzwerken und dreidimensionalen „Mini-Gehirnen“ – sogenannten Organoiden – heranwachsen. „Durch die neuen Verfahren der Stammzellforschung ist es uns nun erstmals möglich, Erkrankungen des menschlichen Gehirns direkt an den Zellen zu untersuchen, die auch im Patienten betroffen sind“, sagt Professor Dr. Philipp Koch, Leiter des HITBR und Inhaber der Professur für Stammzellforschung in der Psychiatrie. „Dies soll uns ermöglichen, krankheitsspezifische Signalwege zu identifizieren und Medikamente direkt an diesen Zellen zu testen.“
Synergien und Vernetzung in der Forschung
Für die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sind sowohl der Forschungsansatz als auch das Kooperationsmodell des neuen Instituts bemerkenswert. „Psychische Erkrankungen zählen zu den am meisten verbreiteten und am schwersten zu behandelnden Krankheiten, die nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für Familie und Freunde Leid mit sich bringen. Für die Entwicklung neuer Therapien ist es deshalb unverzichtbar, interdisziplinär zu arbeiten und Expertise zu bündeln. Das HITBR ist ein hervorragendes Beispiel für eine solche interdisziplinäre Vernetzung – hier entstehen technologische Synergien in der medizinischen Forschung in wichtigen Bereichen wie der Psychiatrie und der Onkologie.“
ZI und DKFZ bündeln Technologien
Die beiden großen Forschungseinrichtungen ZI und DKFZ bringen für das HITBR erstmals ihre Expertisen in einer neuen Form der Kooperation zusammen. Am Standort Mannheim werden zunächst vorwiegend die psychischen Erkrankungen Schizophrenie, Bipolare Störungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und Autismus untersucht. Neben der Stiftungsprofessur für Stammzellforschung in der Psychiatrie forschen am HITBR die beiden Nachwuchsgruppen von Dr. Julia Ladewig (am ZI in Mannheim) und von Dr. Moritz Mall (am DKFZ in Heidelberg). Am Standort DKFZ liegt der Forschungsschwerpunkt auf Tumoren des menschlichen Gehirns.
Beide Institutionen stellen zudem Technologieplattformen für die Forschung zur Verfügung. So bringt das ZI mit dem neu entstehenden Zentrum für Innovative Psychiatrie- und Psychotherapieforschung (ZIPP) moderne Bildgebungs- und Messverfahren ein. Das DKFZ stellt seine Plattformtechnologien zur Hochdurchsatzuntersuchung von Genen und Proteinen zur Verfügung.
Hector-Stiftung ermöglicht Kooperation
Das Hector Institute for Translational Brain Research wird von der Hector Stiftung II anteilig mit 7,5 Millionen Euro finanziert. Professor Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Vorstandsvorsitzender des ZI und Geschäftsführer des HITBR, dankt dem Stifter Hans-Werner Hector: „Ihre Bereitschaft, unserer wissenschaftlichen Vision zu folgen, hat es uns ermöglicht, in kurzer Zeit unbürokratisch völlig neue Wege in der psychiatrischen Forschung zu gehen.“ Auch Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, würdigt Hectors Engagement „Damit unterstützen Sie auf herausragende Weise die Erforschung der Grundlagen von Hirntumoren.“