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Genetische Risikofaktoren für Entstehung eines seltenen Knochenmarkkrebses entdeckt

Nr. 69a | 22.12.2011

Erste vollständige Analyse der Erbgut-Variationen bei mehr als 1.600 Patienten mit Multiplem Myelom / Wissenschaftler aus London und Heidelberg veröffentlichen in Nature Genetics
Gemeinsame Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums

Knochenmarkausstrich eines Patienten mit Multiplem Myelom

Veränderungen an zwei bestimmten Stellen im Erbgut erhöhen das Risiko, an einem seltenen Knochenmarkkrebs, dem Multiplem Myelom, zu erkranken: Erstmals haben Wissenschaftler aus London und Heidelberg bei mehr als 1.600 Betroffenen genomweit nach charakteristischen Veränderungen gesucht und dabei genetische Risikofaktoren entdeckt. "Das gibt uns die ersten konkreten Hinweise auf molekulare Prozesse innerhalb der Knochenmarkzellen, die bei der Entstehung des Multiplen Myeloms eine Rolle spielen könnten", erklärt Dr. Niels Weinhold von der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, der in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Kari Hemminki vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) das Screening der deutschen Patientenproben koordinierte.

Die wegweisende Studie ist ein gemeinsames Projekt von Arbeitsgruppen des Instituts für Krebsforschung am Royal Cancer Hospital in London (Teams um Professor Dr. Richard Houlston und Professor Dr. Gareth Morgan), des DKFZ in Heidelberg (Abteilung Molekulargenetische Epidemiologie, Leiter: Prof. Hemminki) und der Sektion Multiples Myelom (Leiter: Professor Dr. Hartmut Goldschmidt) an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Die Ergebnisse wurden jetzt - vorab online - in der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Das Multiple Myelom ist eine bösartige Erkrankung weißer Blutkörperchen im Knochenmark. In Deutschland erkranken jährlich etwa 3.500 Menschen an dieser Krebserkrankung des blutbildenden Systems, rund 25.000 sind es europaweit. Die Krebszellen stören die Blutbildung und schwächen die Knochensubstanz; Knochenschmerzen und -brüche, Blutarmut und Anfälligkeit für Infekte sind die Folgen. Medikamente können die Symptome zurückdrängen. Häufig kommt es jedoch nach einiger Zeit zu einem Rückfall und zur Therapieresistenz.

Entdeckte Regionen bisher nicht mit Multiplem Myelom in Verbindung gebracht

Welche biologischen Prozesse dazu führen, dass sich die Blutzellen im Knochenmark verändern und unkontrolliert teilen, ist noch weitestgehend unbekannt. Wissenschaftler vermuten, dass die Erkrankung von verschiedenen Veränderungen im Erbgut hervorgerufen wird, die für sich genommen zwar unkritisch sind, ab einer bestimmten Anzahl und in Kombination aber die Fehlfunktion der Knochenmark-/Blutzellen verursachen. Diese Veränderungen können spontan an verschiedenen Stellen des Erbguts auftreten oder vererbt werden: Verwandte von Betroffenen tragen ein etwa doppelt so hohes Erkrankungsrisiko als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Um diesen genetischen Auslösern auf die Spur zu kommen, verglich das internationale Forscherteam mit Hilfe eines speziellen Analyseverfahrens (genomweite Assoziationsstudie GWAS) die Erbgut-Variationen von 1.675 Patienten mit Multiplem Myelom mit denen von 5903 gesunden Menschen. Die Idee dahinter: Treten bestimmte genetische Variationen bei Patienten signifikant häufiger auf als bei der Kontrollgruppe, kann man davon ausgehen, dass sie bei der Erkrankung eine Rolle spielen.

Die Wissenschaftler fanden Variationen in zwei Regionen der Erbinformation, die in der Patientengruppe eine höhere Frequenz als in der Kontrollgruppe aufwiesen. Dort befinden sich die genetischen Baupläne für zwei bekannte Proteine, die eine Rolle bei Krebsentstehung und Tumorwachstum spielen, bisher aber noch nicht mit dem Multiplen Myelom in Verbindung gebracht wurden. Ziel der weiteren Forschung ist es nun, den Einfluss dieser Proteine zu bestätigen und weiter aufzuklären. "Mit Hilfe dieser Ergebnisse können wir in Zukunft vielleicht verstehen, warum ein Multiples Myelom entsteht, und gezielte Diagnose- und Behandlungsstrategien entwickeln", so Weinhold.

Literatur:
Nat Genet. 2011 Nov 27. doi: 10.1038/ng.993. [Epub ahead of print] Common variation at 3p22.1 and 7p15.3 influences multiple myeloma risk.
Broderick P, Chubb D, Johnson DC, Weinhold N, Försti A, Lloyd A, Olver B, Ma YP, Dobbins SE, Walker BA, Davies FE, Gregory WA, Child JA, Ross FM, Jackson GH, Neben K, Jauch A, Hoffmann P, Mühleisen TW, Nöthen MM, Moebus S, Tomlinson IP, Goldschmidt H, Hemminki K, Morgan GJ, Houlston RS.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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