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Selen-Proteine als möglicher neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung

Nr. 64c2 | 15.11.2024 | von Koh

Ein wichtiges Enzym unterstützt den Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen – für die Behandlung von Krebs bei Kindern könnte diese Entdeckung neue Strategien eröffnen. Das veröffentlichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Würzburg, vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), vom Heidelberger Stammzellinstitut HI-STEM* und der Universität Sao Paulo.

Metastase eines Neuroblastoms in einem Maus-Modell
© dkfz.de

Proteine, die das Element Selen enthalten, sind für Menschen überlebenswichtig: Sie helfen beim Abbau schädlicher Stoffe, unterstützen das Immunsystem und spielen eine wichtige Rolle bei verschiedenen Stoffwechselprozessen. Allerdings können sie auch unerwünschte Aktivitäten entfalten – so etwa das Protein Glutathionperoxidase 4 (GPX4), das Krebszellen vor dem Zelltod schützt.

„Diese Schutzfunktion von GPX4 stellt eine große Herausforderung für Standard-Krebstherapien dar, weil sie das Überleben von Krebszellen trotz Medikamentengabe begünstigt", erklärt Pedro Friedmann Angeli von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. „Umgekehrt heißt das: Wenn es uns gelingt, die Produktion von GPX4 zu hemmen, können wir möglicherweise Krebszellen gezielter angreifen und zerstören. Das ist besonders vielversprechend für die Behandlung des Neuroblastoms, das vor allem Kinder betrifft."

Krebszellen anfälliger machen
Das Forschungsteam aus Würzburg, Heidelberg und Sao Paolo hat sich daher darauf konzentriert, Enzyme, die die Produktion von Selenproteinen fördern, zu hemmen. Bislang war nur bekannt, dass die Selenocystein-Lyase (SCLY) diese Funktion übernimmt. Die Forschenden konnten nun ein weiteres Enzym identifizieren, das dazu beiträgt, die Produktion von Selenproteinen aufrechtzuerhalten, wenn SCLY nicht vorhanden ist: Peroxiredoxin 6, kurz PRDX6.

Mithilfe von Techniken wie Massenspektrometrie und CRIPSR-Cas9-basierter Genomik entdeckte das Forschungsteam, dass PRXD6 direkt an Selen bindet und das Spurenelement – ähnlich wie ein Shuttle – zum Ort der Proteinproduktion in den Zellen transportiert. Die Forschenden konnten auch zeigen, dass die Hemmung von PRXD6 ein möglicher Ansatzpunkt für die Behandlung von Neuroblastomen sein könnte. In einer Machbarkeitsstudie an einem Neuroblastom-Mausmodell wiesen sie nach, dass sich das Tumorwachstum der Krebszellen signifikant verringerte, wenn PRDX6 genetisch ausgeschaltet war.

„Bei Krebserkrankungen von Kindern könnte die Kombination von Standardbehandlung mit Regulatoren des Selenocystein-Stoffwechsels – insbesondere unter Einbeziehung des neu entdeckten Proteins PRDX6 – eine vielversprechende neue Strategie darstellen", sagt Hamed Alborzinia, DKFZ und HI-STEM, einer der Seniorautoren der Publikation.

Nächste Schritte in der Krebsforschung
Eine weitere Erkenntnis: Obwohl PRXD6 Zellen helfen kann, in Abwesenheit von SCLY zu überleben, zeigt es nicht die gleiche hohe enzymatische Aktivität. Die Forschenden wollen nun herausfinden, welche zusätzlichen Proteine zusammen mit PRXD6 die erforderliche enzymatische Rolle von SCLY übernehmen. Zudem planen sie weitere Laborexperimente zur Entwicklung von molekularen Hemmstoffen, die sowohl auf SCLY als auch auf PRXD6 abzielen, um das Wachstum von Krebszellen stärker zu hemmen.

 

*Das Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und experimentelle Medizin (HI-STEM) gGmbH wurde 2008 als Public-Private-Partnership von DKFZ und Dietmar Hopp Stiftung gegründet.

Zhiyi Chen et al.: PRDX6 contributes to selenocysteine metabolism and ferroptosis resistance.
Mol. Cell 2024, DOI: 10.1101/2024.06.04.597364

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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