Jahresempfang im DKFZ
Am Donnerstag, den 11. Februar 2016, lud der Stiftungsvorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums Freunde und Förderer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Mitarbeiter zum Jahresempfang. Musikalisch umrahmt vom Duo „Laurent Leroi und Michael Herzer“ erlebten die rund 400 geladenen Gäste einen kurzweiligen Abend. Höhepunkt war die Festrede von Johann-Dietrich Wörner, dem Generaldirektor der Europäischen Organisation für Raumfahrt (ESA).
In seiner Begrüßungsansprache blickte der kommissarische wissenschaftliche Vorstand Professor Michael Boutros zunächst zurück auf das vergangene Jahr, das vor allem in wissenschaftlicher Sicht ein glanzvolles war: Etliche hochrangige Preise waren an DKFZ Wissenschaftler gegangen und nicht weniger als 1500 wissenschaftliche Veröffentlichungen kamen 2015 aus dem DKFZ. Von diesen stellte Boutros drei preisgekrönte Themen näher vor: Wissenschaftler um Aurelio Teleman hatten herausgefunden, dass die Stearinsäure einen entscheidenden Einfluss auf die Kraftwerke der Zelle, die Mitochondrien, ausübt. Ist ihre Konzentration zu hoch oder zu niedrig, funktionieren die Kraftwerke nicht mehr richtig, was schwerwiegende Folgen bis hin zu Krebs nach sich ziehen kann. Haikun Liu und seine Kollegen untersuchen die Heterogenität von Hirntumoren mit Hilfe von neuen genomischen Ansätzen. Und Stefan Pfister, DKFZ Abteilungsleiter und gleichzeitig Kinderarzt am Universitätsklinikum Heidelberg, konnte in einer Reihe von Arbeiten zeigen, wie heterogen die Tumoren bei Kindern sind und wie die Ärzte auf dieser Grundlage die individuell bestmögliche Therapie für jeden kleinen Patienten finden können. So bereiten Pfister und seine Kollegen vom DKFZ und Uniklinikum Olaf Witt und Andreas Kulozik derzeit die INFORM Studie vor, die vor allem Kindern mit einem Rückfall ihrer Tumorerkrankung individuell aufgrund einer Genanalyse eine zweite Chance auf Heilung bieten soll.
Besonders am Herzen liegt Boutros die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Bereits im Masterstudium bietet das DKFZ zusammen mit der Universität Heidelberg einen Schwerpunkt für Krebsbiologie an, das so attraktiv ist, dass es wesentlich mehr Bewerber anzieht, als es aufnehmen kann. Daran schließt sich die internationale Graduiertenschule für Doktoranden in der Krebsforschung an, an dem gegenwärtig 550 junge Menschen aus aller Welt teilnehmen. Drei von ihnen stellten ihre Arbeit in einer moderierten Talkrunde vor: Dabei ging es um Systembiologie, um eine Impfung gegen Hirntumoren und die epigenetische Wirkung von Krebsmedikamenten. Zur Sprache kamen auch die Arbeitsbedingungen im DKFZ: Lorenz Adlung betreut neben seiner Doktorarbeit besonders ambitionierte Schüler im DKFZ Life- Science-Lab, Theresa Bunse pendelt als Mitarbeiterin einer Klinischen Kooperationseinheit ständig zwischen Kopfklinik und Labor, und David Brocks verbrachte einige Monate seiner Dissertation am Weizmann Institut in Israel. Alle drei waren sich jedoch einig: Eine Doktorarbeit am DKFZ ist eine große Chance, die sie jederzeit wieder ergreifen würden. Das DKFZ „Career Development“ bietet darüber hinaus jedem Doktoranden ein individuelles Begleitprogramm an, das über die bestmöglichen Karrierechancen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft informiert.
Boutros gewährte auch einen Ausblick in die Zukunft: Vor allem der bevorstehende räumliche und inhaltliche Ausbau des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg sowie der Aufbau des NCT-Partnerstandorts Dresden sind dank großzügiger finanzieller Zusagen vom Bund und den Ländern Baden-Württemberg und Sachsen gesichert. In Planung befindet sich ebenfalls ein Therapie- und Forschungszentrum für Kinderonkologie zusammen mit dem Universitätsklinikum Heidelberg. Boutros schloss mit einer persönlichen Bemerkung: Er sei in das Amt des wissenschaftlichen Vorstands recht plötzlich und für ihn überraschend gewählt worden, stelle aber doch Gemeinsamkeiten mit seinem wissenschaftlichen Thema fest: In seiner Abteilung Signalwege und Funktionelle Genomik beschäftigt er sich mit genetischen Netzwerken, und dabei gilt, „dass Gene selten allein wirksam sind: Immer arbeiten sie gemeinsam mit anderen, häufig synergistisch, aber manchmal auch antagonistisch und redundant.“ Ganz ähnlich sei das in sozialen Netzwerken und den Netzwerken zwischen den Institutionen hier am Standort Heidelberg, etwa der Universität und dem Universitätsklinikum, mit denen das DKFZ eng und produktiv zusammen arbeite.
Professor Josef Puchta, kaufmännischer Vorstand des DKFZ, verwies auf die Bilanzen der vergangenen Jahre: So habe sich das Budget des DKFZ von 124 Mio Euro im Jahr 2004 auf 257 Mio Euro im Jahre 2016 erhöht, gleichzeitig sei die Mitarbeiterzahl von knapp 1900 auf 2800 gestiegen. Anschließend stellte er die neuen Bauprojekte vor: Zum einen das Radiologische Forschungs- und Entwicklungszentrum, das bereits im Oktober 2015 Richtfest gefeiert hatte und das bis 2018 bezugsfertig sein soll: Darin werden sämtliche Abteilungen des DKFZ, die sich mit Radiologie oder Strahlentherapie beschäftigen, untergebracht sein, samt ihrer verschiedenen aufwändigen Geräte, wie MRT, CT oder Pet-CT. Noch in Planung befindet sich ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Radiopharmazeutische Chemie.
Die Ankündigung eines Festvortrags mit dem Titel: „NASA –The Journey to Mars – und Europa?“ hatte viele der rund 400 Gäste im DKFZ zunächst erstaunt. Doch Prof. Dr. Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der in Paris ansässigen European Space Agency, beleuchtete eine Frage, mit der sich Forschungsinstitutionen weltweit auseinandersetzen müssen: Wie steht es mit dem „return on investment“? Welche Gegenleistung erhält die Gesellschaft für die hohen Forschungsausgaben, die großenteils aus öffentlichen Mitteln aufgebracht werden? Und wie viel zählt dabei die menschliche Neugier, der reine Pioniergeist, der nicht darauf aus ist, jede Erkenntnis direkt in klingende Münze umzusetzen?
Wörner gelang es mit seinem ungemein inspirierenden und durch Zwischenapplaus unterbrochenen Vortrag schließlich jeden im Publikum zum begeisterten Befürworter der (Raum)Forschung zu bekehren. Nicht nur wegen des unbestreitbaren Nutzens von GPS und Klimabeobachtung, sondern auch aufgrund der faszinierenden Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung. So ließ Wörner seine Zuhörer unter anderem wissen, warum ohne Einsteins Relativitätstheorie heute die Satellitennavigation undenkbar wäre, wie sich unterschiedliche Nationalcharaktere auf den Forschungserfolg auswirken und wie es klingt, wenn eine Forschungssonde auf einem Kometen aufsetzt – und wie sich daraus die Beschaffenheit der Oberfläche des Kometen berechnen lässt. Er überzeugte die Gäste, dass Neil Armstrong und Buzz Aldrin tatsächlich auf dem Mond spazierten und rechnete vor, dass die Summe, die die bemannte Raumfahrt jeden Deutschen kostet, gerade mal dem Preis eines Straßenbahntickets in Darmstadt entspricht.
Nach Roland Berger, dem Bundespräsidenten a.D. Roman Herzog, dem Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder sowie dem Direktor des CERN, Rolf-Dieter Heuer, setzte Wörner die Tradition der hochkarätigen Gastvorträge beim Jahresempfang des Deutschen Krebsforschungszentrums fort.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.