Arbeitsgruppe Episomal-Persistierende DNA in Krebs- und chronischen Erkrankungen
Dr. Timo Bund
Trotz großer Fortschritte im Bereich der Krebstherapie stellt das fehlende Wissen bezüglich der ursächlichen Krebsentstehung und Krebsimmunologie gerade im Hinblick auf synergistische (infektiöse) Risikofaktoren, die in >50% aller Krebsfälle erwartet werden, eine wesentliche Limitierung im Transfer von Grundlagenforschung in Richtung klinische Anwendung dar. Unsere Arbeitsgruppe führt die Arbeiten der Abteilung von Harald zur Hausen fort und erforscht das Zusammenspiel zwischen Bovine Meat and Milk Factors (BMMF, mehr als 200 dieser einzelsträngigen, Plasmid-artigen DNA Elemente sind bekannt) aufgenommen durch den Konsum von bovinen Nahrungsmitteln und deren Beitrag zur indirekten Entstehung unterschiedlicher Typen von Krebs (pathologisches Modell der ‚BMMF-induzierten zoonotisch-assoziierten, infektiösen, indirekten Karzinogenese‘) basierend auf chronischer Entzündung (CI), Induktion von Radikalen und zufälligen DNA Mutationen. Zusätzlich erforschen wir die Auswirkungen von BMMF im Kontext von chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems im menschlichen Gehirn. Wir wenden sowohl BMMF-Typen-spezifische, ultrasensitive klassische Labormethoden an als auch umfassende multi-omics in silico BMMF Analysen in öffentlich verfügbaren DNA/RNA Datenbanken, um die Präsenz von BMMF als pathologische Risikofaktoren in Krebs und in natürlichen Bioreservoirs zu erfassen. Zusätzlich testen wir die Replikationsfähigkeit, die Transkription und die Expression von BMMF-Proteinen mit dem Ziel, Werkzeuge zur BMMF-Detektion und Modulation der BMMF-Positivität zu generieren und zu validieren.
Mehr als 14 intensiv getestete, am DKFZ hergestellte Antikörper, die gegen ein konserviertes BMMF-Protein (Rep) gerichtet sind, kommen in routinemäßigen histologischen Analysen von kolorektalen Krebs (CRC) Geweben, aber auch in Lungen-, Leber-, Pankreas- und Prostatakrebs (und anderen) zum Einsatz, um eine diagnostische Anwendbarkeit und Krebs-spezifische BMMF-Expression in CI-assoziierten Krebsarten und deren entzündlicher Vorstufen (z.B. Divertikulitis, Pankreatitis, nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)) zu untersuchen. Der ursächliche Beitrag von BMMF zur Krebsentstehung, insbesondere zu CRC, wird intensiv durch histologische case vs. control und metrische Untersuchungen unter Einbezug von Krebsvorstufen untersucht, was durch unser breites klinisches Kooperationsnetzwerk ermöglicht wird. Wir kombinieren diese Untersuchungen mit zusätzlichen Protein-spezifischen (Immunodetektion und Massenspektroskopie) und DNA/RNA-basierten Auswertungen (qPCR/PCR, NGS, Laser Microdissection). Zusätzlich untersuchen wir die prognostische Relevanz der BMMF-Expression mittels semi-automatisierter Quantifizierung der BMMF-Belastung in den Geweben, um die BMMF-Expression in tumoralen und peritumoralen Geweben sowie mögliche Effekte in Bezug auf das Überleben der Patienten besser einschätzen zu können. Diese Daten werden durch bulk als auch Einzelzell RNA-Sequenzierungen ergänzt, um den Einfluss der BMMF-Expression auf die Regulation BMMF-positiver Makrophagen zu untersuchen und um den molekularen und mechanistischen Hintergrund BMMF-basierter indirekter Karzinogenese zu erfassen. Dies schließt ebenfalls die Untersuchung der pro-tumorigenen Tumor-Mikroumgebung (TME) sowie Therapieresistenz, die durch BMMF verstärkt werden könnte, mit ein. Wir untersuchen zudem die Feinstruktur möglicher BMMF-Zielstrukturen (mittels Immuno-Elektronenmikroskopie) und konnten kürzlich eine Vielzahl pleomorpher, vesikulärer Strukturen identifizieren, deren Zugänglichkeit eine Intervention zum Beispiel mittels Antikörper nahelegt.
Unsere multi-omics Auswertungen werden stetig ergänzt und um neue BMMF-Isolate erweitert, um die Rolle der BMMF-Infektion in der indirekten Karzinogenese zu erfassen, die höchstwahrscheinlich eine der häufigsten zoonotisch-assoziierten Infektionen in Menschen überhaupt darstellen könnte. Wir erwarten eine Relevanz der BMMF-Infektion in 30-50% der momentanen Krebsfälle und 40-60% der Krebstoten.
Um BMMF-spezifische Krebsprävention voranzutreiben, untersuchen wir die Aufnahme von BMMF in präklinischen Modellen (BMMF-Mausmodell, Zell-(Ko-)kulturmodelle). Unsere Vision ist eine frühe Krebsdiagnose auf Basis von BMMF-Technologie sowie neue Möglichkeiten zur systemischen und/oder BMMF-Antikörper- und Immunzelltherapie zur Reduktion der BMMF-Belastung und zur Prävention/Therapie von BMMF-assoziiertem Krebs.