Heute ist bekannt, dass Patienten:innen mit der gleichen oberflächlichen Diagnose sehr unterschiedlich auf dieselbe Therapie reagieren können. Bei einem tieferen Blick in die Charakteristika der Erkrankung, wie zum Beispiel den genetischen Mutationen oder weiteren phänotypischen Merkmalen, können patientenspezifische Therapieentscheidungen einen enormen Vorteil für die Patienten:innen haben, indem durch gezielte Bekämpfung der Erkrankung eventuelle Nebenwirkungen und im Einzelfall wenig wirksame Standardtherapien vermieden werden.
Diesem Ziel widmet sich die personalisierte Medizin, in der Patienten:innen mit neuartigen Methoden (z.B. Next Generation Sequencing) getestet werden, um dann die entdeckten genetischen, phänotypischen oder psychosozialen Merkmale als Ausgangspunkt für die Suche nach zielgerichteten Therapien zu verwenden (Larry Jameson and Longo 2015).
Eine Herausforderung stellt allerdings nicht nur die Verarbeitung der daraus resultierenden Datenmengen dar, sondern auch die Tatsache, dass die klinische Interpretation von genomischen, transkriptomischen, proteomischen und metabolomischen Daten bis vor kurzem nicht Teil der medizinischen Ausbildung oder der klinischen Routine waren. Um diese Probleme zu lösen wurden molekulare Tumorboards (MTB) ins Leben gerufen. In diesen Treffen werden von einem:r verantwortlichen molekularen Onkologen:in vorbereitete zielgerichtete Therapieempfehlungen einem interdisziplinären Publikum vorgestellt, das diese Empfehlungen diskutiert und zusammen beschließt. Somit werden Therapieentscheidungen überprüft und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die Vorbereitung dieser MTB ist jedoch ein sehr zeitaufwendiger Prozess, der bei erfahrenen Ärzten:innen mit etwa zwei Stunden Recherche pro Patient:in verbunden ist. Somit ist die Zahl der Patienten:innen, die von diesen zielgerichteten Therapien profitieren können, hauptsächlich durch die Zeit der molekularen Onkologen:innen begrenzt.
Um den Gesamtprozess von MTB und vor allem die Vorbereitung zu unterstützen, wurde in der früheren DKFZ-Abteilung Medizinische Informatik in der Translationalen Onkologie (MITRO) von Prof. Frank Ückert und später in der AG SUDO in enger Zusammenarbeit mit erfahrenen Onkologen:innen am NCT der Knowledge Connector (KC) entwickelt:
Die Software unterstützt den/die User:in nicht nur bei der Organisation der MTB, sondern präsentiert relevante klinische Daten zusammen mit den Sequenzierungsergebnissen. Diese genomischen Daten werden mit Informationen aus etablierten, öffentlichen Wissensdatenbanken (z.B. CIViC, Ensembl, OncoKB und Reactome) erweitert. Zusätzlich hat der/die User:in die Möglichkeit weitere Informationen zu ergänzen, welche in einer in-house Datenbank gespeichert werden und somit für zukünftige Patienten:innen mit ähnlichen Veränderungen wiederverwendet werden. Durch diesen Prozess geht gesammeltes Wissen nicht verloren und innerhalb eines Projektes kann auch das Kollegium von diesem Wissen profitieren.
Über die genbasierten Biomarker hinaus stellt der KC außerdem weitere komplexe Biomarker (z.B. Mutationssignaturen oder die Mutationslast) dar. Mit diesen Informationen kann der/die molekulare Onkologe:in in einer weiteren Ansicht des KC Therapieempfehlungen dokumentieren und mit Evidenzgrundlagen belegen. Für das interdisziplinäre Treffen des MTB bietet der KC die Möglichkeit eines Präsentationsmodus, der nochmal alle von dem/der Onkologen:in als relevant eingestuften Informationen anzeigt und die Therapieempfehlungen präsentiert. Mit dem Zuspruch der Teilnehmer:innen kann der/die molekulare Onkologe:in per Knopfdruck einen MTB-Bericht (Microsoft Word Datei) exportieren und diese an den/die Patienten:in weiterleiten.
Diese webbasierte Software wird von Partnerschaften der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie (TMO) am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in einer ersten, produktiven Version in einem seit 2013 etablierten MTB getestet und in enger Zusammenarbeit mit der AG SUDO stetig weiterentwickelt.
Video
Im Rahmen der virtuellen Konferenz GMDS & CEN-IBS 2020 wurde folgende Videopräsentation einer frühen Version des Knowledge Connectors erstellt.
Kontakt
Projektleitung
Alexander Knurr: alexander.knurr@dkfz-heidelberg.de