Psoriasis-Medikament bremst Wachstum und Metastasierung von Krebszellen
Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum prüfen einen vielversprechenden Wirkstoff gegen Tumoren des Immunsystems. Bei dieser Erkrankung haben die Krebszellen „verlernt“ auf Signale zu reagieren, die den programmierten Zelltod Apoptose einleiten. Die neue Substanz stellt diese Fähigkeit wieder her und bremst so das Wachstum und vor allem die Metastasierung der Tumoren.
Kutane T-Zell-Lymphome treten in der Haut auf. Sie bilden sich aus entarteten T-Zellen des Immunsystems. Eine besondere Form dieses Tumors ist das Sézary Syndrom, für das es bisher keine Heilungsmöglichkeiten gibt. Bei dieser Erkrankung werden die entarteten Zellen nicht nur in der Haut, sondern auch im Blut gefunden. Von dort aus können sie dann auch andere Organe befallen.
Krebsforscher wissen, dass die Bösartigkeit des Sézary Syndroms in erster Linie darauf beruht, dass die Krebszellen nicht mehr auf Signale reagieren, die den programmierten Zelltod, die Apoptose, auslösen. Das macht die Behandlung der Tumoren besonders schwierig, denn die Wirkung der meisten Krebsmedikamente beruht gerade darauf, Apoptose auszulösen.
Karsten Gülow und seinem Team im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist es nun gelungen, in den Tumorzellen einen bestimmten Überlebensfaktor auszuschalten und die Krebszellen dadurch in die Apoptose zu treiben. Die DKFZ-Forscher arbeiteten bei diesem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt mit Jan Nicolay von der Hautklinik der Universität Mannheim zusammen.
„In den Lymphomzellen ist ein wichtiger „Überlebensfaktor“ der Zelle, NFkappaB, dauerhaft aktiviert, das macht sie resistent gegen Apoptose“ sagt Karsten Gülow. „Leider waren aber alle bislang erprobten Hemmstoffe dieses Faktors zu giftig, um sie als Medikamente einzusetzen“.
Gülow, Nicolay und Kollegen erprobten nun beim kutanen T-Zell-Lymphom erstmals den Wirkstoff Dimethylfumarat (DMF), der ebenfalls gegen NFkappaB wirkt. Ein großer Vorteil dieser Substanz ist, dass sie bereits bei Multipler Sklerose und bei Psoriasis als Medikament zugelassen ist.
Die Forscher untersuchten die DMF-Wirkung an T-Zellen, die sie aus dem Blut von Patienten mit Sézary-Syndrom isoliert hatten. Außerdem transplantierten sie eine menschliche Lymphom-Zelllinie unter die Haut von Mäusen, wo die Krebszellen zu Tumoren heranwuchsen. Anschließend behandelten sie die Tiere mit DMF. Nach Abschluss der Therapie wuchsen die Tumoren langsamer und die Wissenschaftler konnten zeigen, dass DMF selektiv die Tumorzellen abtötet, gesunde T-Zellen blieben dagegen verschont. Noch bemerkenswerter war, dass die DMF-Behandlung bei den transplantierten Tumoren die Metastasierung, also einen Befall anderer Organe, nahezu komplett unterbinden konnte.
„Unsere Ergebnisse sind vielversprechend“, sagt Peter Krammer vom DKFZ. „DMF scheint mindestens vergleichbar wirksam und dabei besser verträglich zu sein als die meisten anderen Wirkstoffe, die gegen kutane Lymphome eingesetzt werden. Deshalb haben wir sofort begonnen, das Potenzial des Medikaments zu prüfen.“ Mittlerweile haben die Forscher diese klinische Studie bereits in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Anne Kuhn vom DKFZ und Sergij Goerdt, Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Angiologie der Universitätsmedizin Mannheim, initiiert; sie wird von der Helmholtz Alliance for Immunotherapy gefördert.
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Immunfluoreszenzfärbung eines kutanes T-Zelllymphoms nach DMF-Behandlung: Bösartige Zellen sind rot, sterbende Zellen grün gefärbt. Stirbt eine Tumorzelle, überlagern sich die Farben und es kommt zu einer gelben Färbung. Die vielen gelben Zellen zeigen, dass das Medikament DMF die Lymphomzellen wirksam bekämpft. (Es handelt sich um Lymphomzellen des Menschen, die auf Mäuse übertragen wurden.)
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Jan P. Nicolay, Karin Müller-Decker, Anne Schroeder, Markus Brechmann, Markus Möbs, Cyrill Géraud, Chalid Assaf, Sergij Goerdt, Peter H. Krammer, Karsten Gülow: Dimethyl fumarate restores apoptosis sensitivity and inhibits tumor growth and metastasis in CTCL by targeting NF?B.
Blood 2016, DOI: 10.1182/blood-2016-01-694117
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