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Neue Wege in der Medikamentenforschung

Nr. 52 | 07.12.2016 | von Koh

Der Bedarf an neuen Medikamenten ist höher als je zuvor: Die Bevölkerung wird immer älter, und die Nachfrage nach neuen Mitteln gegen Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes oder Demenz steigt kontinuierlich. Die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die früher fast ausschließlich in der Pharmaindustrie angesiedelt war, wird heute vermehrt in Forschungseinrichtungen geleistet. Daher lädt die Helmholtz-Initiative für Wirkstoffforschung am 8. und 9. Dezember ins Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg erstmals zu einer öffentlichen Konferenz ein.

Ein Wirkstoff bindet passgenau an ein Enzym und hemmt so dessen Aktivität.
© Aubry Miller, DKFZ

„Die pharmazeutische Industrie hat sich in den letzten Jahrzehnten aus den frühen Phasen der Wirkstoffentwicklung zurückgezogen. Um innovative Substanzen zu entwickeln, setzen die Unternehmen heute vermehrt auf neue Kooperationsmodelle mit der akademischen Forschung", sagt Aubry Miller vom DKFZ, einer der Organisatoren der Konferenz. „Daher spielen Universitäten und Forschungsinstitutionen wie die Helmholtz-Gemeinschaft in der Medikamentenentwicklung eine immer wichtigere Rolle."

Etwa 190 Teilnehmer aus Forschung und Industrie treffen sich auf Einladung der Initiative Wirkstoffforschung der Helmholtz-Gemeinschaft zum Erfahrungsaustausch und um neue Strategien zu diskutieren.

Der dringend benötigte Nachschub an neuartigen Medikamenten hängt entscheidend davon ab, dass Wissenschaftler fehlgesteuerte zelluläre Vorgänge oder veränderte Biomoleküle entschlüsseln, die den einzelnen Krankheiten zugrunde liegen. Das sind die Zielstrukturen für neue Therapien, in der Fachsprache „Targets" genannt. Die Entwicklung neuer Medikamente ist mit enormen Kosten verbunden und viele zunächst vielversprechend erscheinende Wirkstoff-Kandidaten scheiden in der klinischen Prüfung aus. Deshalb ist es entscheidend, die systematische Wirkstoff-Suche so anzulegen, dass sie Ergebnisse von hoher klinischer Relevanz erhalten.

Ein Beispiel dafür stellt Joe Lewis vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) vor. Er sucht nach Wirkstoffen gegen besonders bösartige Hirntumoren bei Kindern, die durch charakteristische Genveränderungen gekennzeichnet sind. Gemeinsam mit Stefan Pfister vom DKFZ und Universitätsklinikum entwickelt Lewis ein Screeningsystem, bei dem Tausende von Testsubstanzen auf zwei verschiedenen Hirntumorzelllinien getestet werden, die sich in einer einzigen Genveränderung unterscheiden. Gesucht wird nach hochspezifischen Wirkstoffen, die ausschließlich die Tumorzellen mit der einen Mutation abtöten, die andere dagegen nicht.

Viele der aktuell wichtigsten Antibiotika sind durch Resistenzen unwirksam geworden und müssen dringend durch neue Wirkstoffklassen ersetzt werden. Deniz Taşdemir vom Helmholtz-Zentrum Geomar und von der Universität Kiel sieht die - großenteils noch unbekannte - Vielfalt der marinen Mikroorgansimen als vielversprechende Quelle für neue Substanzen mit antibiotischer Wirkung. Sie berichtet, wie sie die chemisch vielfältigen Inhaltsstoffe aus marinen Algen und Pilzen auf Wirksamkeit gegen wichtige Krankheitserreger prüft.

Auch die Präsentation von Wirkstoffen, die sich bereits im fortgeschrittenen Stadium der Medikamentenentwicklung befinden, steht auf dem Tagungsprogramm. Einen solchen Kandidaten, der kurz vor der klinischen Prüfung steht, stellen Stefan Pusch (DKFZ) und Olaf Panknin (Bayer) vor: Die Substanz hemmt gezielt eine bestimmte mutierte Variante des Enzyms IDH1, die in Krebszellen häufig vorkommt und beispielsweise das Wachstum von Hirntumoren und Leukämien antreibt. Das DKFZ kooperiert in der Wirkstoffforschung in einer strategischen Allianz mit Bayer: Unternehmen und Forschungszentrum wählen gemeinsam besonders aussichtsreiche Kandidaten aus, die dann auch gemeinsam weiterentwickelt werden.

Die so genannten epigenetischen Modifikationen des Erbguts entscheiden maßgeblich darüber, welche Gene in einer Zelle aktiv werden. Wirkstoffe, die auf die epigenetischen Prozesse Einfluss nehmen, sollen in Zukunft eine große Rolle bei der Behandlung von Krebs oder auch von neurodegenerativen Krankheiten spielen. Ihnen ist daher ein Themenblock bei der Konferenz gewidmet.

Auch neuartige Medikamente auf der Basis kleiner RNA-Moleküle gelten als vielversprechende Wirkstoffe der Zukunft und sind Thema der Konferenz. Dazu zählen etwa die winzigen siRNAs, mit denen gezielt bestimmte Gene ausgeschaltet werden können, oder so genannte Ribozyme, RNA-Moleküle, die die Funktion von Enzymen ausüben können und auf diese Weise in krankhafte zelluläre Prozesse eingreifen.

Journalisten sind zu der Konferenz herzlich eingeladen.

Programm:
https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/veranstaltungen/ansicht/event/info/drug_innovation_in_academia/

Ein Bild zur Pressemitteilung steht zum Download zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2016/bilder/Protein-Inhibitor-Complex.jpg

BU: Ein Wirkstoff bindet passgenau an ein Enzym und hemmt so dessen Aktivität

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Die Nutzung ist kostenlos. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung bzw. über das DKFZ allgemein. Als Bildnachweis ist folgendes anzugeben: „Quelle: Aubry Miller, DKFZ".

Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der DKFZ-Pressestelle (Tel. 06221 42 2854, E-Mail: presse@dkfz.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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