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Übergewicht vermeiden – Krebs vermeiden!

Fragen an Rudolf Kaaks zur aktuellen Veröffentlichung der Krebsforschungsagentur IARC

Nr. 32c | 25.08.2016

Krebs lässt sich verhindern, indem man Übergewicht vermeidet: Experten der International Agency for Research on Cancer (IARC) haben für die Neuauflage des „Handbuchs der Krebsprävention" die Datenlage erneut geprüft. Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum war maßgeblich an der aktuellen Bewertung beteiligt.

Prof. Rudolf Kaaks
© Tobias Schwerdt/DKFZ

Herr Professor Kaaks, bereits in der Ausgabe des „Handbook of Cancer Prevention 2002" haben die IARC-Experten dargelegt: Brustkrebs nach den Wechseljahren, Darm und Enddarmkrebs, Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom), Speiseröhrenkrebs und Nierenzellkrebs treten bei Normalgewichtigen erheblich seltener auf als bei fettleibigen Menschen. Welche neuen Erkenntnisse sind nun hinzugekommen?

Zunächst einmal konnten wir die 2002 veröffentlichten Ergebnisse in vollem Umfang bestätigen. Darüber hinaus haben wir jetzt für eine ganze Reihe weiterer Krebsarten eine statistisch gesicherte Risikoerhöhung gefunden. Durch Übergewicht treten beispielsweise Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, Eierstockkrebs und das Multiple Myelom sowie Adenokarzinome im oberen Teil des Magens, der sogenannten Cardia vermehrt auf. Insgesamt weisen die Daten der von uns ausgewerteten Studien auf einen Zusammenhang von Dosis und Wirkung: Je stärker ausgeprägt die Fettleibigkeit ist, desto höher das Krebsrisiko.

Können Sie eine Größenordnung angeben: Um wieviel Prozent ließe sich die Zahl der Krebsneuerkrankungen senken, wenn alle höchstens Normalgewicht hätten?

Internationale Schätzungen kommen auf einen Risikobeitrag von etwas über fünf Prozent für alle Krebsarten in den wirtschaftlich hoch entwickelten Ländern. Allein in Deutschland wären das geschätzt 25.000 Fälle. Dazu muss man allerdings bemerken, dass Übergewicht nicht bei allen Krebsarten die gleiche Rolle spielt: Bei Gebärmutter- und Nierenkrebs oder bei Adenokarzinomen der Speiseröhre ist fast die Hälfte aller Fälle durch Adipositas bedingt. Und die Zahl der betroffenen Menschen wird weiter steigen, denn weltweit legen die Menschen immer noch an Gewicht zu. *

Spielt auch Übergewicht in der Kindheit eine Rolle?

Es gibt nur sehr wenige Studien, die den Zusammenhang von Übergewicht im Kindesalter und dem Krebsrisiko im späteren Leben untersuchen – von daher gibt es dazu nicht ausreichend Daten, um diese Frage zu beantworten Aber: Aus übergewichtigen Kindern werden sehr häufig übergewichtige Erwachsene!

Es heißt, dass vor allem das zwischen den Organen liegende Bauchfett zum Krebsrisiko beiträgt. Die IARC-Publikation bezieht sich aber auf den Body Mass Index (BMI)**.

Die allermeisten Studien, die wir ausgewertet haben, bezogen sich auf den BMI, so dass wir aus pragmatischen Gründen diesen Wert verwenden mussten, um die Arbeiten miteinander vergleichen zu können. Aber speziell bei Männern ist Übergewicht ja fast immer mit Bauchfett gleichzusetzen, da gilt: hoher BMI gleich dicker Bauch. Insofern ist der BMI ein ganz brauchbarer Indikator.

Was könnte die biologische Ursache dafür sein, dass Übergewicht Krebs fördert?

Die deutlichsten Hinweise sehen wir für Sexualhormone und für die Entzündungsbotenstoffe, die vom Fettgewebe produziert werden. Dass Entzündungen ein Krebsbeschleuniger sind, weiß man heute sehr gut. Sexualhormone wirken auf viele Zellen als Wachstumsfaktoren, die das Krebswachstum antreiben. Bei Übergewichtigen finden sich darüber hinaus erhöhte Mengen des Wachstumsfaktors IGF („Insulin like growth factor"), der ebenfalls das Zellwachstum antreibt.

Kann man sein persönliches Krebsrisiko durch Abnehmen verringern?

Das würde man erwarten – aber die Daten belegen das bislang nicht! Es gibt einfach zu wenig Menschen, die es schaffen deutlich abzunehmen und ihr Gewicht dann auch zu halten. Allerdings gibt es kleine Untersuchungen, die einen Trend in diese Richtung andeuten: Zum Beispiele erkranken extrem übergewichtige Frauen, die dank einer operativen Magenverkleinerung ihr Gewicht reduzieren konnten, seltener an Brustkrebs und an Gebärmutterkrebs.

Es ist schwer, dauerhaft abzunehmen. Mein persönlicher Tipp ist daher: Achten Sie darauf, dass sich die Pfunde gar nicht erst ansammeln. Achten Sie auch schon bei Ihren Kindern darauf. Das ist ein sinnvoller Beitrag zur Krebsprävention!

Link zur Mitteilung der IARC:
http://www.iarc.fr/en/media-centre/iarcnews/2016/handbook16_iarc2016.php

Fachpublikation:
Lauby-Secretan B, Scoccianti C, Loomis D, Grosse Y, Bianchini F, Straif K; International Agency for Research on Cancer Handbook Working Group: Body Fatness and Cancer - Viewpoint of the IARC Working Group. New England Journal of Medicine 2016, DOI: 10.1056/NEJMsr1606602

* Quelle: The Lancet, April 2, 2016, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(16)30054-X

Heute sind deutlich mehr Menschen auf der Welt fettleibig als untergewichtig. In den reichen, entwickelten Ländern hat sich der Anstieg des BMI vom Jahr 2000 an verlangsamt. Um diese Zeit hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Übergewicht zu einem ernsthaften Problem für die öffentliche Gesundheit geworden war. In vielen anderen Weltregionen dagegen setzte sich die Beschleunigung des BMI-Anstiegs auch nach dem Jahr 2000 weiter fort, und dieser Effekt überwiegt auf globaler Ebene.

Entwicklung der Adipositas weltweit:
Männer: von 3,2 Prozent (1975) auf 10,8 Prozent (2014)
Frauen: von 6,4 Prozent (1975) auf 14,9 Prozent (2014)

** Body-Mass-Index, BMI: Körpergewicht [kg] dividiert durch Körpergröße [m] im Quadrat.

 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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