Wissenschaftler aus dem DKFZ um Karsten Rippe und Ingrid Grummt haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der Hinweise darauf gibt, wie der Nucleolus seine Form je nach Bedarf der Zelle ändern kann. Die dynamische Struktur des Nucleolus erlaubt es den Zellen, ihren Stoffwechsel ständig den Einflüssen aus der Umgebung anzupassen. Je höher der Stoffwechsel in der Zelle, desto größer wird der Nucleolus. Dies ist zum Beispiel bei schnell wachsenden und sich ausbreitenden Tumorzellen der Fall. Im Gegensatz dazu weist der Nucleolus bei hungernden Zellen oder im Zusammenhang mit Herzkrankheiten oder neurologischen Störungen geringere Aktivität und eine abweichende Struktur auf. Die Struktur des Nucleolus spiegelt also den Zustand der Zelle wider. Er nimmt interne und externe Signale auf und verarbeitet sie. Starke Stressreize am Nucleolus können im Extremfall sogar zum Tod der Zelle führen. Der Nucleolus bietet damit möglicherweise einen Angriffspunkt für Therapeutika gegen sich schnell teilende Krebszellen. Dazu müssen die Forscher aber zunächst mehr über seine Funktion und Struktur herausfinden.
Die Wissenschaftler des DKFZ untersuchten in ihren Experimenten die Boten-RNA (mRNA), welche den Bauplan für Proteine liefert, die die Zelle herstellt. Sie blockierten die mRNA im Nucleolus und beobachteten, dass dieser daraufhin in viele kleinere Teile zerfiel. Durch Sequenzierung der RNA in Nucleoli fanden die Forscher einen bestimmten Typ von RNA, der aus der mRNA abgespaltet wird und die Struktur des Nucleolus intakt hält. Diese sogenannte aluRNA hatten Wissenschaftler bis zu diesem Zeitpunkt nur für ein Abfallprodukt der RNA-Synthese gehalten. Nun zeigt sich jedoch, dass aluRNA in Verbindung mit speziellen Proteinen wie ein Klebstoff zusammengehörige Teile des Genoms im Nucleolus miteinander verbindet.
In den Experimenten verhielt sich der Nucleolus wie ein Öltropfen in Wasser. „Sobald wir die aluRNA in der Zelle blockieren, fällt der Nucleolus auseinander. Es sieht dann so aus, als hätte man eine Vinaigrette geschüttelt und die großen Öltropfen zerfallen in viele Kleine“, erklärt Maïwen Caudron-Herger, Erstautorin der entstandenen Publikation. Die aluRNA verbindet kleine Bruchstücke zu einem großen funktionstüchtigen Nucleolus.
„Wenn wir verstehen, wie der Auf- und Abbau der Nucleoli in der Zelle funktioniert, kann uns das dabei helfen, veränderte Zustände im Krankheitsfall zu begreifen und ihnen therapeutisch entgegenzuwirken“, erklärt Karsten Rippe. In Zukunft möchten die Wissenschaftler des DKFZ herausfinden, wie Krebszellen die Nucleolusaktivität erhöhen und ob dafür eine stärkere Produktion von aluRNA notwendig ist.
Caudron-Herger M, Pankert T, Seiler J, Németh A, Voit R, Grummt I and Rippe K. (2015). Alu element-containing RNAs maintain nucleolar structure and function. The EMBO Journal, doi: 10.15252/embj.201591458