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Wechsel an der Spitze: Lungenkrebs löst Brustkrebs als Hauptkrebstodesursache bei Frauen ab

Nr. 06 | 02.02.2015 | von Koh

Epidemiologen hatten es lange schon vorhergesehen, in diesem Jahr ist der Punkt erreicht: Erstmalig wird Brustkrebs als wichtigste Krebstodesursache bei Frauen abgelöst – durch Lungenkrebs. Dieser für ganz Europa ermittelte Wechsel an der Spitze der Krebssterblichkeit lässt sich auch in Deutschland beobachten, meldet das Deutsche Krebsforschungszentrum anlässlich des Weltkrebstags 2015.

© B. Engelhardt/DKFZ

Die Krebssterblichkeit in ganz Europa sinkt – bei Frauen um etwa 6 Prozent, bei Männern sogar um 7,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009. Dies errechneten italienische Epidemiologen in einer gerade erschienenen Arbeit*. Doch während bei fast allen Tumoren die Sterblichkeitsraten zurückgehen, werden 2015 europaweit vermutlich 9 Prozent mehr Frauen an Lungenkrebs sterben als noch 2009.

„Diesen Wechsel an der Spitze der Krebstodesursachen bei Frauen beobachten wir auch in Deutschland“, sagt Prof. Nikolaus Becker vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Der Epidemiologe bereitet seit 1984 die Daten zur Krebssterblichkeit in Deutschland auf und stellt sie im „Krebsatlas“ zur Verfügung. Auch wenn die Zahlen für die Krebssterblichkeit der Jahre 2013 und 2014 noch nicht vorliegen, können die Wissenschaftler doch lang anhaltende stabile Trends extrapolieren. „Die sinkende Sterblichkeitskurve von Brustkrebs und die steil ansteigende von Lungenkrebs bei Frauen steuern seit langem auf einen Schnittpunkt um das Jahr 2015 zu“, erklärt Becker.

Die absoluten Zahlen liegen bei Brustkrebs zwar noch höher, mit 15.000 Todesopfern gegenüber 12.800 bei Lungenkrebs im Jahr 2012. Doch in der altersstandardisierten Sterblichkeitsrate liegen die beiden Krebsarten bei Frauen nun erstmals gleichauf: So starben in Deutschland altersbereinigt von 100.000 Frauen im Jahr 2012 16,5 an Brustkrebs, an Lungenkrebs dagegen 15,5 Frauen. Im Jahr 2015 werden diese Zahlen aller Voraussicht nach übereinstimmen.

Als eine „Katastrophe mit Ansage“ sieht Dr. Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Abteilung Krebsprävention im DKFZ, den Wechsel an der Spitze der Krebstodesursachen. „Denn vor über zehn Jahren begann der deutliche Anstieg der Lungenkrebstodesfälle unter Frauen, der jetzt offensichtlich auf einen Höhepunkt zusteuert. Vor dieser verhängnisvollen Entwicklung haben wir immer wieder gewarnt“, so die Präventionsexpertin. „Dass eine zum größten Teil vermeidbare Erkrankung nun die größte Sterblichkeitsrate erreicht und immer mehr Todesopfer bei Frauen fordert, ist tragisch.“ 85 bis 90 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs gelten als tabakbedingt und damit als vermeidbar.

In der Altersgruppe der 25- bis 69-jährigen Frauen ist der Zigarettenkonsum nach wie vor hoch und bis 2003 sogar stetig angestiegen. Erst von da an ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen. „Daher ist nicht zu erwarten, dass es in naher Zukunft zu einer Trendwende in der Lungenkrebssterblichkeit kommt“, sagt die Präventionsforscherin und zitiert den berühmten britischen Epidemiologen Richard Peto: „Wenn Frauen rauchen wie Männer, sterben sie auch wie Männer.“

Vor noch etwa zwei Jahrzehnten lag die Lungenkrebs-Neuerkrankungsrate von Männern mehr als dreimal so hoch wie die der Frauen. Doch die Rate rauchender Männer geht bereits seit Ende der 1970er-Jahre zurück, was sich in einem Rückgang der Lungenkrebsmortalität spiegelt, der bereits um das Jahr 1990 einsetzte.

Prof. Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des DKFZ, sieht aber auch eine positive Seite dieser Entwicklung. „Brustkrebs galt bei Frauen jahrzehntelang als gefürchteter Killer. Doch obwohl immer mehr Frauen an Brustkrebs erkranken, sterben daran heute weniger Frauen als noch vor etwa zehn Jahren. Die Krebstherapie befindet sich in rasanter Entwicklung, die ersten Früchte des Erfolges sehen wir heute schon in den erfreulicherweise sinkenden Sterblichkeitsraten bei Brustkrebs.“

Für die nähere Zukunft erhoffen sich Krebsmediziner erstmals auch beim Lungenkrebs verbesserte Behandlungserfolge durch die neuen, teilweise hochwirksamen Immuntherapeutika, von denen ein Teil der Patienten profitieren kann.

*M. Malvezzi, P. Bertuccio1, T. Rosso, M. Rota1, F. Levi, C. La Vecchia & E. Negri: European cancer mortality predictions for the year 2015: does lung cancer have the highest death ratein EU women? Annals of Oncology 2015, DOI: 10.1093/annonc/mdv001 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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