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Defekter Tumor-Suppressor führt zu Leukämie - auf Umwegen

Nr. 53c | 24.10.2013

Krebs entsteht oft infolge eines Defekts an wachstumsbremsenden Genen, so genannten Tumor-Suppressoren. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchten, wie der Verlust der Krebsbremse PTEN zur Entstehung von Leukämien führt. Überraschenderweise werden nicht die Blutstammzellen selbst zur Teilung angeregt. Vielmehr ist die Leukämie Folge der übermäßigen Produktion eines Botenstoffs (G-CSF) in Granulozyten, der die Blutstammzellen vom Knochenmark in die Milz treibt und dort zur krankhaften Vermehrung weißer Blutkörperchen führt.

PTEN-ModellBild: Hypomorph, Wikimedia Commons

Die Erbgutschäden, die zu Krebs führen, lassen sich im wesentlich in zwei Gruppen einteilen: zum einen Defekte, die wachstumsfördernde Gene in dauerhaft aktivierte „Krebsgene“ (Onkogene) verwandeln, zum anderen Erbgutdefekte, die einen Funktionsverlust eines wachstumshemmenden Gen, eines so genannten Tumor-Suppressors, bewirken.

Jede Zelle enthält eine Vielzahl von Tumor-Suppressoren, einige darunter sind gleich bei einer ganzen Reihe von Krebsarten mutiert. Dazu zählt unter anderem die Phosphatase PTEN. Das Enzym ist etwa in Glioblastomen, Prostatakrebs und Leukämien defekt und kann dadurch seine wachstumshemmenden Funktionen nicht mehr ausüben.

„Man hat sich immer vorgestellt, dass sich die Blutstammzellen im Knochenmark nach einem PTEN-Defekt endlos teilen und dadurch Leukämie entsteht“, erklärt Prof. Andreas Trumpp. Der Stammzellexperte leitet im Deutschen Krebsforschungszentrum die Abteilung für Stammzellen und Krebs sowie das Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin (HI-STEM gGMBH) das von der Dietmar Hopp Stiftung und dem DKFZ unterstützt wird.

Um diese Hypothese zu überprüfen, züchtete Melania Tesio in Trumpps Labor Mäuse, bei denen sich die PTEN-Produktion in den Blutstammzellen und deren Nachkommen auf Knopfdruck“ ausschalten lässt. Nach Abschalten der PTEN-Produktion entwickelten die Tiere eine vergrößerte Milz und litten am so genannten myeloproliferativen Syndrom, einer Vorstufe der Leukämie. Schließlich entwickelten sie verschiedene Arten von Blutkrebs.

Jedoch fanden die Forscher nach Ausschalten von PTEN überraschenderweise nicht die erwartete erhöhte Zellteilungsaktivität in den Blutstammzellen. Stattdessen entdeckten sie in den Tieren einen stark erhöhten Spiegel des Zell-Botenstoffs G-CSF (Granulozyten stimulierender Faktor). Dieser Botenstoff, der auch von Granulozyten normaler Tiere in geringen Mengen produziert wird, ist bekannt dafür, dass er Blutstammzellen aus dem Knochenmark„mobilisiert“, die dann im Körper auf Wanderschaft gehen. Genau diese Situation fand sich in den PTEN-negativen Tieren: Die Blutstammzellen hatten das Knochenmark verlassen und sich in der Milz angesiedelt.

Ist die übermäßige Produktion von G-CSF tatsächlich dafür verantwortlich, dass die Blutstammzellen in die Milz einwandern? Die DKFZ-Forscher prüften dies an Mäusen, die neben PTEN auch kein G-CSF bilden können. In diesen Tieren blieben die Blutstammzellen im Knochenmark und sie entwickelten auch kein myeloproliferatives Syndrom.

„Das ist letztendlich der Beweis dafür, dass die Überproduktion von G-CSF in Pten mutierten Granulozyten Zellen die Ursache für die Stammzellwanderung ist. Und mehr noch, neben der Mobilmachung von Stammzellen wirkt G-CSF auch auf die Granulozyten Zellen selbst und treibt diese zur Zellteilung an. Durch diese Doppelwirkung auf Stammzellen und auf Granulozyten wird die Entwicklung in Richtung Leukämie eingeläutet“, sagt Andreas Trumpp. „Die Krankheit entsteht also eher indirekt und nicht, wie bisher angenommen, weil ein Defekt der PTEN-Tumorbremse die Teilung der Stammzellen antreibt.“

Melania Tesio, Gabriela M. Oser, Irène Baccelli, William Blanco-Bose, Hong Wu, Joachim R. Göthert, Scott C. Kogan, and Andreas Trumpp: Pten loss in the bone marrow leads to G-CSF–mediated HSC mobilization. Journal of Experimental Medicine 2013, DOI: doi:10.1084/jem.20122768

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

Das 2008 gegründete Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin (HI-STEM gGmbH) bündelt Aktivitäten im Bereich der Stammzellbiologie und der Stammzelltherapie. Im Rahmen des Public Private Partnership-Modells zwischen der Dietmar Hopp Stiftung und dem DKFZ konzentrieren sich internationale Nachwuchswissenschaftler auf die anwendungsorientierte, klinische Erforschung von Tumor- und Metastasen-Stammzellen. In enger Kooperation mit den Partnern erproben HI-STEM-Wissenschaftler neuartige Methoden, um die Entwicklung neuer Medikamente und effektiver Therapien gegen verschiedene Krebserkrankungen voranzutreiben und diese zur medizinischen Anwendung zu bringen. Die Dietmar Hopp Stiftung unterstützt HI-STEM als Gesellschafter mit jährlich 1,5 Mio. Euro.

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