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Wachsen ohne Zellteilung: Heidelberger Wissenschaftler klären alternativen Zellzyklus auf

Nr. 57 | 31.10.2011 | von Sel

Wenn Tiere oder Menschen größer werden, geschieht dies normalerweise durch viele aufeinanderfolgende Zellteilungen. Bei Pflanzen, aber auch bei vielen einfachen Tieren, gibt es eine alternative Strategie: Die Zellen verdoppeln ihr Erbgut und ihre übrigen Bestandteile und damit auch ihr Volumen, anschließend teilen sie sich jedoch nicht in zwei Tochterzellen. So entstehen nach mehreren solcher "Endozyklen" riesige Zellen, die bis zur tausendfachen Größe einer normalen Zelle heranwachsen können. Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum und an der Universität Heidelberg haben nun aufgeklärt, wie diese so genannten "Endozyklen" gesteuert werden. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie heute in "Nature".
Gemeinsame Pressemitteilung von Universität Heidelberg und Deutsches Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft

Zwei-Photonen-mikroskopische Aufnahme einer Speicheldrüse. In einigen Zellen wurde E2F überexprimiert. Die Zellen mit erhöhter E2F-Konzentration sind durch GFP markiert (grün). Die DNA wurde mit DAPI angefärbt und ist in rot dargestellt.
© dkfz.de

Endozyklen sind in der Natur weit verbreitet: Sowohl bei vielen Nicht-Wirbeltieren, wie Weichtieren, Insekten oder Krebsen, als auch bei Pflanzen sorgen sie für das Wachstum. Hochgerechnet entstehen durch Endozyklen rund 50% der gesamten Biomasse auf der Erde. Wirtschaftlich bedeutend könnte es sein, die Endozyklen von außen zu beeinflussen: Nur ein Zyklus mehr würde das Erntegewicht eines Getreidefeldes verdoppeln, ein Endozyklus weniger könnte eine Insekten-Schädlingsplage beherrschbar machen. Dennoch war diese Form des Zellzyklus im Gegensatz zur Zellteilung, der Mitose, bisher nur wenig erforscht und daher nicht vollständig verstanden.

Die Wissenschaftler um Bruce Edgar, der eine Brückenabteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) im Rahmen der DKFZ-ZMBH Allianz leitet, fanden nun heraus, dass auch dieser Zellzyklus ganz ähnlichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie die Mitose: Hier wie dort sorgt ein zyklischer Auf- und Abbau bestimmter Eiweiße dafür, dass die Verdoppelung des Erbguts und damit der übrigen Zellbestandteile in regelmäßigen Abständen eingeleitet wird und nach deren Abschluss wieder zum Stillstand kommt.

"Wir haben heraus gefunden, dass die beiden Faktoren E2F und CRL4 hier eine wichtige Rolle spielen", erklärt Erstautor Norman Zielke. "E2F leitet den Endozyklus ein, und wird anschließend von CRL4 zerstört. Daraufhin wird CRL4 inaktiv, und E2F kann sich langsam wieder anreichern. Ist seine Konzentration hoch genug, beginnt der Zyklus von vorne." Dabei gilt: Je schneller die E2F Konzentration den Schwellenwert erreicht, desto schneller startet der nächste Zyklus und desto schneller wächst die Zelle. Die Funktion von E2F ähnelt der Funktion der Zykline, welche die Zellteilung (Mitose) regulieren.

„Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die Eiweiße E2F und CRL4 auch bei der normalen Zellteilung (Mitose) eine Rolle spielen“, erläutert Bruce Edgar die medizinische Bedeutung der Studie. „Treten hierbei Fehler auf, führt das zu schweren Schäden im Erbgut, daher spielen beide Faktoren vermutlich auch eine Rolle bei der Entstehung von Krebs“.

Ihre Untersuchungen führten die Wissenschaftler an der Taufliege Drosophila durch. Deren Speicheldrüsenzellen durchlaufen etwa zehn Endozyklen und wachsen dadurch auf das 1000-fache ihrer ursprünglichen Größe an. Auch beim Menschen gibt es einige Zellen, die Endozyklen durchlaufen: Herzmuskelzellen, bestimmte Blutzellen, Megakaryozyten, die wie der Name vermuten lässt, sehr groß sind, sowie die Zellen der Placenta, die den Embryo ernähren müssen. Ob auch hier die beiden Proteine E2F und CRL4 die Endozyklen kontrollieren, möchten Bruce Edgar und seine Kollegen nun herausfinden.

Norman Zielke, Kerry J. Kim, Vuong Tran, Shusaku T. Shibutani, Maria-Jose Bravo, Sabarish Nagarajan, Monique van Straaten, Brigitte Woods, George von Dassow, Carmen Rottig, Christian F. Lehner, Savraj Grewal, Robert J. Duronio, and Bruce A. Edgar: Control of Drosophila endocycles by E2F and CRL4Cdt2, DOI 10.1038/nature10579.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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